Revierjagdmeister Sascha Schmitt erklärt, wie richtiges Verhalten vor und nach der Schussabgabe dabei hilft, Nachsuchen zu vermeiden oder sie mit Erfolg zu krönen.
Gegen Ende einer Ansitzjagd erreicht mich ein Anruf eines Jagdgastes: „Ich habe eine Sau beschossen, die im Schuss geklagt hat. Ich habe mit meinen Hund schon einmal den Anschuss überprüft und nichts gefunden. Vielleicht wollen sie ja mal kommen?“ Am Ort des Geschehens wird aus der bösen Vorahnung Gewissheit, als der Jagdgast mit grell leuchtender Stirnlampe völlig verschwitzt gemeinsam mit seinem arg hechelnden Apportierhund aus dem Unterholz kraxelte. „Ich denke, das hat keinen Zweck, mein Hund hat bereits alles überprüft, da ist nichts zu machen“, lautete sein Kommentar, während er Hund und Waffe in seinem Fahrzeug verstaut. Wo der Anschuss genau wäre, wüsste er zwar nicht, aber letztendlich habe der Hund immer recht. Die Sau hätte wohl nichts und nur vor Schreck geklagt. Es war schon so viel schiefgelaufen, jetzt konnte nur noch ein professioneller Schweißhundeführer helfen. Das Ergebnis der Nachsuche am nächsten Morgen: ein Überläufer mit Leberschuss, der nach kilometerlanger Riemenarbeit verendet gefunden wurde. Er war bereits nach etwa 300 m ins Wundbett gegangen, aber vom Schützen und dessen Hund unbemerkt aufgemüdet worden.
Wenn ein Stück Wild am Abend oder in der Nacht nicht liegt, steht der Jäger vor einem Dilemma: Bis zum kommenden Morgen mit der Nachsuche warten und das Wildbret in den meisten Fällen verwerfen zu müssen oder es doch schnell mit dem eigenen Hund versuchen? Bei der 1. Variante lauert der Rüffel des Pächters, wenn das sauber getroffene Stück nur 50 m weiter in den Brombeeren liegt. Bei der 2. geht es um nichts anderes als den Tierschutz. Wer nicht weiß, wie er vorgehen soll oder wann Schluss ist, erschwert es dem später hinzugerufenen Profi ungemein – oder macht es im schlimmsten Fall gar unmöglich, das kranke Stück zu finden und zu erlösen. Aber auch generell ist das richtige Verhalten rund um den Anschuss wichtig, um erfolgreich ans Stück zu kommen.
Nie ohne Anschuss
Vor der Schussabgabe muss sich der Schütze den Standort des Stücks möglichst exakt einprägen. Dabei sind markante Geländepunkte mit einzubeziehen. Im Umfeld wird sich bei einem Treffer der Anschuss befinden, der für Rückschlüsse auf den Treffersitz unbedingt gefunden werden muss und an dem stets jede Nachsuche beginnt. Bei der Pirsch empfiehlt es sich, auch den Standort des Schützen bei der Schussabgabe deutlich zu markieren. Sollte sich der Anschuss, bspw. bei Schüssen in der Nacht oder auf großen Wiesen, nicht finden, dient zumindest die Position des Schützen als Fixpunkt.
Besonders nachts lassen sich Anschüsse schwer lokalisieren. Auf jeden Fall muss dann die genaue Schützenposition markiert werden. (Bild: Markus Lotz)
Infos vom Wild
Wie verhält sich das Stück in dem Moment, in dem das Geschoss auf den Wildkörper trifft? Jeder kennt aus seiner Jagdscheinausbildung noch die Bilder, auf denen zeichnendes Schalenwild bei den verschiedenen Treffern dargestellt wird. Leider ist das Wild in der Praxis nicht immer so eindeutig, und gerade flüchtig sind diese Merkmale oft nur schwierig zu erkennen. Im erweiterten Sinne gehören zum Zeichnen auch Schmerzenslaute des Stückes. Gerade in der Dämmerung und bei der Nachtjagd ohne Technik ist das Zeichnen des Wildes kaum wahrnehmbar, während Klagelaute auch in dunkelster Nacht noch vernommen werden können. Beides lässt beim erfahrenen Waidmann Rückschlüsse darauf zu, ob ein Stück tödlich getroffen ist oder wo die Kugel gefasst haben könnte – wichtige Hinweise für den Nachsuchenführer.
Nur wer das Zeichnen des Wildes deuten kann, kann einordnen, wie und ob es tödlich getroffen wurde. (Bild: Michael Stadtfeld)
Nachschießen
Ob Kipplaufwaffe oder Repetierer: Unmittelbar nach dem Schuss muss schnellstmöglich nachgeladen und auf dem Stück geblieben werden, um ohne Zeitverzug einen Fangschuss abgeben zu können. Sollte ein sichtbar krankes Stück flüchtig werden, muss unter Berücksichtigung des Kugelfanges nachgeschossen werden, bis das Stück verendet ist oder den Sichtbereich verlassen hat. Dabei darf keinesfalls auf die Wildbretentwertung geachtet werden. Jeder weitere Treffer bringt mehr Pirschzeichen und schwächt das Wild, was die Erfolgsaussicht der Nachsuche deutlich verbessert.
Ruhig Blut
Wenn das Stück nicht in Sichtweite verendet ist, sollte der Jäger grundsätzlich ruhig auf seinem Stand verharren. Oftmals flüchtet beschossenes Wild in die nächste Deckung, um dort zu verhoffen oder sich niederzutun. Wird es nicht aufgemüdet, verendet es dort womöglich in aller Ruhe. Wird es jedoch hochgemacht, mobilisiert es die letzten Kräfte und flüchtet so weit wie irgendwie möglich. Das lässt sich durch eine ausgedehnte Wartezeit vermeiden. Dabei ist eine Viertelstunde das Mindestmaß an Geduld, die der Schütze aufbringen sollte, bis er mit geladener Waffe herantritt. Die immer wieder zitierte „Zigarettenlänge“ reicht tatsächlich nicht aus. Der Jagdgast informiert in der Wartezeit den Revierverantwortlichen und verfährt nach dessen Maßgabe weiter.
Vorsichtig vorgehen
Eine gelungene Anschusskontrolle zeichnet sich dadurch aus, dass möglichst viel gesehen und dabei möglichst wenig zerstört und vertreten wird. Insbesondere gilt es zu vermeiden, dass sich Schweiß und andere Körperflüssigkeiten oder -stücke an den Schuhen festsetzen, die dann ein Netz an Verleitungen hinterlassen. Sämtliche großen Pirschzeichen, wie Schnitthaar oder Knochensplitter, werden mit dem Handy fotografiert und sichergestellt. So wird ver- mieden, dass wichtige Indizien für den Treffersitz bis zur Nachsuche abhandenkommen. Wenn es Höhe und Dichte der Vegetation zulassen, spricht nichts dagegen, sich am Anschuss mit dem Wärmebildgerät vorsichtig umzusehen. Ggf. lässt sich so das in der Nähe verendete Stück rasch finden. Keinesfalls sollte aber mit dem technischen Hilfsmittel als Hundeersatz einer vorhandenen Schweißfährte gefolgt werden, um das Stück nicht aufzumüden oder sich selbst in Gefahr zu bringen.
Der Anschuss wird mit den Augen und nicht mit den Füßen untersucht, was der Hundenase entgegenkommt. (Bild: Michael Migos)
Die Zeichen deuten
Es ist grundverkehrt anzunehmen, dass jeder Jagdscheininhaber dazu in der Lage ist, einen Anschuss richtig anhand der Pirschzeichen zu beurteilen. Hier ist falscher Ehrgeiz völlig fehl am Platz. Wer also Zweifel an der eigenen Expertise oder am vermeintlichen Treffersitz hat, sollte sich von vornherein auf die Einschätzung des Nachsuchenführers oder einer anderen kundigen Person verlassen. Es sollte dabei kein falscher Schamgedanke aufkommen, falls das Stück vom Gespann mit sauberem Treffer nur wenig weiter längst verendet gefunden wird. Lieber so herum als umgekehrt! Gerade beim Anstellen auf Gesellschaftsjagden oder bei Führern von Jagdgästen sollten nur Personen eingesetzt werden, die über die nötigen Fähigkeiten verfügen. Die Weiterbildung nach der Jagdscheinprüfung sollte für jeden verantwortungsvollen Jäger eine Selbstverständlichkeit sein. Gut gemachte Seminare vermitteln in komprimierter Form das nötige Rüstzeug, um am Anschuss einen guten Job zu machen.
Leber: Hier braucht es Zeit und einen Profi. Wer Pirschzeichen nicht deuten kann, sollte von Alleingängen absehen. (Bild: Michael Stadtfeld)
Gewissenhaft verbrechen
Auch wenn der Anschussbruch aus der Mode gekommen ist, muss die betreffende Stelle so markiert werden, dass der Nachsuchenführer nicht nur den eigentlichen Anschuss erkennt, sondern auch die vermutete Fluchtrichtung. Forstmarkierband eignet sich hervorragend dafür: Ein 1 m langes Stück wird unmittelbar an den Anschuss gehangen, während 2 kürzere im Fährtenverlauf platziert werden und so die Fluchtrichtung deutlich machen. Dort, wo die Vegetation keine Möglichkeit zum Aufhängen bietet, werden die Bänder an gut sichtbaren Stöcken befestigt, die in den Boden gesteckt werden. Sollte der Unglücksschütze (kurzfristig) verhindert sein, um das Gespann einzuweisen, hat es auf diese Weise genügend Grundlagen, um die Nachsuche selbstständig durchzuführen.
Hilfe vom Profi
Egal ob Einzel- oder Gesellschaftsjagd: Bevor es ins Revier geht, muss klar sein, an wen man sich im Falle einer Nachsuche wendet. Dabei tritt der Jagdgast diese Entscheidung immer an den Jagdleiter ab, der entscheidet, wer wann mit dieser verantwortungsvollen Aufgabe betraut wird. Ebenfalls sollte im Vorfeld geklärt werden, wie und wann der Hundeführer von der anstehenden Arbeit informiert wird. Manche möchten unabhängig von der Uhrzeit direkt angerufen werden, andere – vor allem nachts – lieber per Textmitteilung oder Sprachnachricht. Wichtig ist, dass alle Fakten und wesentlichen Erkenntnisse in der Benachrichtigung enthalten sind. Dabei gilt es, sich auf tatsächliche Beobachtungen und Tatsachen zu beschränken, denn auf der Nachsuche ist kein Raum für Spekulationen und schon gar nicht für Unwahrheiten. Sollte bspw. das beschossene Stück nicht der Freigabe entsprechen – sei es hinsichtlich seiner Art, Stärke oder dem Gewicht, muss dies dem Hundeführer erklärt werden, um ihn und seinen Hund vor Gefahren oder Irrtümern zu schützen.
Spricht etwas gegen eine Totsuche, sollte auf einen professionellen Schweißhundeführer zurückgegriffen werden. (Bild: Michael Stadtfeld)
Infos für den Nachsuchenführer:
• Was wurde beschossen? (Wildart, Geschlecht, ungefähres Gewicht)
• Wann wurde es geschossen?
• Womit wurde es beschossen? (Kaliber, Geschossgewicht, Geschoss)
• War das Stück allein?
• Wie hat es gezeichnet/sich nach dem Schuss verhalten?
• Wurde ein Anschuss gefunden, und was wurde dort gefunden?
Ehrliche Eigenreflexion
Ich kann es nur zu gut verstehen, dass viele Jäger dazu neigen, Nachsuchen mit dem eigenen Hund zu bewältigen. Dabei gilt es aber stets, den Tierschutzgedanken zu beachten und das nicht nur in Hinsicht auf das wunde Stück Wild, sondern auch auf die eigene Gesundheit und die des Hundes. Neben der Frage, ob der Vierläufer über die nötige Ausbildung und Erfahrung verfügt, die anstehende Arbeit erfolgreich und somit die Qual des gesuchten Stückes zu beenden, müssen auch die körperliche Verfassung des Vierläufers, dessen Ausrüstung sowie die eigene körperliche Leistungsfähigkeit bedacht werden. Wer mit ungeeigneten Hunden nachsucht, begeht letztendlich Tierquälerei auf höchstem Niveau! Dabei lässt sich die tatsächliche Eignung keinesfalls an der erreichten jagdlichen Brauchbarkeit festmachen, sondern vielmehr an der Erfahrung des Vierläufers im scharfen Durchgang. Nichts spricht dagegen, sichere Totsuchen mit dem Zögling zu absolvieren. Aber sobald der geringste Zweifel aufkommt, ob das Stück sicher verendet ist, ist es Zeit, den Spezialisten zu kontaktieren.