Aus dem WuH-Testrevier
Süße Verleitung
Aktuell wird eine Brandlbracke im WuH-Testrevier ausgebildet. Doch während bislang das Abführen eines brauchbaren Schweißhundes immer gut funktionierte, stellt die junge Hündin ihren „Chef“ Heiko Hornung vor einige Herausforderungen, die so nicht geplant waren.
Bild: Peter Schmitt
Die Stubendressur brachten wir mühelos hinter uns. Beim Lernen machte sie immer große Fortschritte, war Altersgenossen oft weit voraus und machte mir auf den 1. Kunstfährten riesig Freude. Sie klebte förmlich an den ersten Schleppen und Spuren. Schnell waren wir auf Über-Nacht-Fährten und machten dort auch schon Meter. Ich war überzeugt, den perfekten Schweißhund zu bekommen. Das ein oder andere Mal fiel mir natürlich auf, dass meine Kleine ein großes Talent besaß, mir im richtigen Moment zu entwischen und eine kleine „Privatjagd“ zu halten.
Weil der Laut sich bei ihr erst sehr spät entwickelte, war ich um diese Ausflüge, die sie juchzend unternahm, nicht böse. „Welche Bracke tut das nicht?“, dachte ich. Doch genau das wurde mir und meinem ganzen Ausbildungsplan, der im 2. Jahr mit einer Verbandsfährtenschuhprüfung und evt. einer Gebrauchsprüfung abgeschlossen sein sollte, zum Verhängnis:
Es war ausgerechnet ein Wochenende, an dem ich beruflich nicht zu Hause war. Der Hund ging am Morgen mit meiner Frau eine kleine Gassirunde am Ortsrand. Dabei steckte die Vieräugl die Nase in den Wind, und fort war sie. Die Rehe trieb sie in die nahen Gärten. Als meine Frau sie erreichte, hatte sie das Kitz schon kurz gegriffen. Zwar entkam das Stück, aber der Jagdteufel war bei ihr geweckt. Noch ahnte ich nicht, wie folgenschwer dieses Erlebnis sich auf die Ausbildung der Elevin auswirken sollte.
Nach wie vor war die Hündin mit Eifer bei jeder Art von gemeinsamer Tätigkeit dabei. Egal, ob wir am Feierabend noch etwas Apportieren oder miteinander das lautlose Pirschen übten, sie war aufmerksam und wollte gefallen. Aber auf der Kunstfährte war alles anders. Zunächst fiel sie die Fährte am künstlich gelegten Anschuss noch routiniert an. Doch sobald wir eine Rehfährte kreuzten, war es mit jeder Konzentration vorbei. Schlagartig riss es die Hündin von der Übungsfährte, und sie flog am Riemen immer schneller werdend der Rehwittrung hinterher. Sie hängt sich am Riemen dabei sogar fast auf. Abtragen, neu ansetzen, beruhigen und zuletzt rüdes Schimpfen brachte sie nicht dazu, der künstlich gelegten Fährte weiter zu folgen. Ich legte am Ende die besten Brocken hin, ließ den Hund hungern, bis meine Frau mit mir ins Gericht ging, weil sich beim Hund die Rippen zu sehr zeigten. Aber die Verleitung war immer das Ende unserer Arbeit.
Ich schraubte die Anforderungen zurück, hoffte, den Hund wenigstens über die Über-Nacht-Fährte einer Brauchbarkeitsprüfung zu bringen, und scheiterte. Zuletzt war der Druck so groß, dass ich die Unsicherheit der Hündin förmlich spüren konnte.
Also alles auf null setzen. Ich holte mir Rat bei erfahrenen Schweißhundführern und Freunden. Aber am Ende ist man mit seinem Hund immer alleine. „Schweißarbeit ist Fleißarbeit“, klang mir der Spruch eines alten Hundeführers im Ohr, und so ist es.
Wir beide begannen wieder mit 50 m langen kleinen Fährten in reizarmer Umgebung. Also nicht mehr in den Wald, wo alle Meter ein kleiner Trughirsch gewechselt ist, sondern die Arbeit fand wie mit dem Welpen auf dorfnahen Wiesen mit wenig Verleitung statt. Wichtig dabei nur: Die saubere Routine und das ruhige Abarbeiten der Fährte. Und es darf bei keiner Fährte irgendwie Langeweile entstehen. Am Ende wartet nach 2 Tagen Diät einmal ein besonderes Futter, ein besonderer Leckerbissen, ein Spiel, oder 10 min toben.
Auch habe ich das Arbeitszeug von „Anastasia“, gerufen „Stasi“, gewechselt. Die Halsung wich einem Brustgeschirr, um zuletzt Fehlverknüpfungen zu löschen. Ich weiß genau, dass sie die Echt- von der Kunstfährte unterscheiden kann. Aber sie springt bereits an mir hoch, wenn ich den Schweißriemen in die Hand nehme. Ein gutes Zeichen. Wenn es anfänglich überhaupt nicht mehr gelang, dass sich der Hund selbstständig auf die Kunstfährte korrigierte, gelingt uns diese Autokorrektur immer besser, sobald ich ein „Zur Fährte!“ hören lasse. Dazu ist es natürlich absolut wichtig zu wissen, wo die gewünschte Arbeit entlangführt. Eine penibel ausgezeichnete Fährte ist unabdingbar, um zu erkennen, wann „Stasi“ abkommt und wie sie sich dabei verhält. Auf der Fährte stehen bleiben und warten, bis sie die Arbeit wieder aufnimmt, verlangt Geduld, und daran fehlt‘s bei mir gelegentlich.
Inzwischen können wir schon wieder etwas längere Fährten machen. Alle 7 bis 10 Tage ist ein Rhythmus, der für sie nicht langweilig ist. Und so tasten wir uns Stück für Stück wieder nach vorne. Ziel bleibt die Brauchbarkeit als Schweißhund. Und wenn es mal nicht klappt, denke ich immer an meinen alten Freund Konrad Esterl, der einmal zu mir sagte: Bei der Schweißarbeit hängt das Gelump hinterm Strick.
Autor: Heiko Hornung