DJV-Präsident im Interview
"Stachel im Fleisch"
Der Forst-Jagd-Konflikt in vollem Gang, das Verhältnis zur Bundesregierung unterkühlt, der Verband uneins: Der neugewählte DJV-Präsident Helmut Dammann-Tamke aus Niedersachsen hat ein schwieriges Erbe angetreten. Auf dem Bundesjägertag Mitte Juni in Fulda sprach er mit WuH über seinen Kurs.
Bild: Richard Günzel
DT: Strukturreform war nicht gemeint, vielmehr eine Weiterentwicklung der Organisation. Im Zuge der Föderalismusreform ist die Jagdgesetzgebung federführend in den Händen der Länder. Es gibt in einigen Bundesländern Entwürfe für Verschärfungen der Jagdgesetze, und darum brauchen wir starke Landesjagdverbände. Die sind aber teilweise relativ klein, und politische Ideen in einem Bundesland werden schnell von einem anderen kopiert. Der DJV wird auch zukünftig Dachverband mit 15 oder vielleicht auch mal wieder 16 Mitgliedern bleiben. Es ist auch klar, dass die einzelnen Jägerinnen und Jäger weiterhin ihre Mitgliedschaft in den LJVs haben werden. Es wurde aber auch deutlich, dass es sinnvoll ist, Schwerpunktthemen zu vereinbaren und verbandsübergreifende Arbeitsgruppen mit Experten aus Haupt- und Ehrenamt zu bilden. Wir konnten so bspw. sehr schnell zum großen Komplex Biotopvernetzung und Ausbau regenerativer Energie Positionen entwickeln, haben gemeinsame Tagungen durchgeführt und politische Akzente gesetzt. Das gilt auch für Lösungsstrategien im Forst-Jagd-Konflikt oder in Tierschutzfragen.
WuH: Wird die Reise zu mehr Hauptamt oder zu mehr Ehrenamt gehen?
DT: Entscheidend ist, dass die inhaltliche Arbeit nur durch ein gutes Hauptamt geleistet werden kann. Aufgrund der unterschiedlichen Strukturen bei den Landesjagdverbänden ist auch beim Ehrenamt mehr oder weniger Verantwortung angesiedelt. Das hat aber insofern Grenzen, als die Leute auch in beruflicher Verantwortung stehen. Ohne Zweifel wird eine Frage der Zukunft sein, ob der DJV als Dachverband weiter ein ehrenamtliches Präsidium wählen will oder ob wir mittel- bis langfristig auf ein Hauptamt an der Spitze zusteuern. Aus meiner politischen Verantwortung im niedersächsischen Landtag weiß ich, dass es auch immer eine Frage ist, ob man im Ehrenamt Personen findet, die über eine entsprechende Reputation verfügen. Unser neuer Schatzmeister z. B. (Klaus Nieding, Finanzfachanwalt aus Frankfurt, Anm. d. Red.) hat sich sein Netzwerk im Beruf aufgebaut. Dieses Beispiel zeigt schon, dass weiterhin eine Kombination aus beidem sinnvoll sein kann. Es muss also nicht das eine oder das andere sein. Für die DJV-Geschäftsstelle haben wir eine personelle Verstärkung beschlossen, u. a. um die Digitalisierung voranzutreiben, von der alle Landesverbände auch profitieren. Was auf Landesebene geschieht, entscheiden die Landesjagdverbände natürlich selbst.
WuH: Wie ist die Haltung des DJV zum ehemaligen 16. Landesjagdverband, also den Bayern?
DT: Als die Bayern uns 2008/9 verlassen haben, hat die Landesjägerschaft Niedersachsen – damals war ich schon in Verantwortung – versucht, Brücken zu bauen, auf die Bayern zuzugehen, ihre Interessen zu berücksichtigen und sie im DJV zu halten. Dazu stehe ich heute noch. Wenn es seitens der Bayern gewünscht ist, möchten wir gerne Gespräche mit dem Ziel führen, den BJV irgendwann wieder im DJV zu begrüßen. Die Signale, die ich aus Bayern insbesondere von der Basis bekomme, stimmen mich auch eher hoffnungsvoll, dass man da einen Weg finden könnte.
WuH: Wie bewerten Sie das Verhältnis zu den Landesregierungen und dem Bund – ist nicht auffällig, dass die einschlägigen Ministerien keine Vertreter entsandt haben?
DT: Ich nehme wahr, dass nach der Föderalismusreform der Bund über mehrere Wahlperioden und unterschiedliche Konstellationen dem Themenbereich Jagd im Koalitionsvertrag keine Aufmerksamkeit geschenkt hat – zumindest dahingehend, dass man das Bundesjagdgesetz anfassen wolle. Gleichwohl sind für uns wichtige Themenbereiche natürlich auf Bundesebene angesiedelt – wie z. B. Naturschutz, Waffenrecht, Artenschutz, Tierschutz – um nur mal 4 herauszugreifen, die für die Zukunft der Jagd zentrale Bedeutung haben. Zum Auftakt unserer Diskussionsrunde zum Waffenrecht hat der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner klare Worte gefunden und unsere Position unterstützt. Das Bundesinnenministerium war ebenfalls vertreten. Angesichts der gegenwärtigen politischen Konstellation stellen wir jedoch fest, dass es deutlich schwieriger ist, mit unseren Positionen gehört zu werden, geschweige denn durchzudringen.
WuH: Sie erwähnten vorhin, Sie wollten „Stachel im Fleisch“ sein. Ist angesichts dieses offensichtlichen Desinteresses seitens der Politik in Zukunft mehr Konfrontation angezeigt? Muss der Verband den Fehdehandschuh nicht aufnehmen?
DT: Den Fehdehandschuh aufzunehmen, führt am Ende nur zu einer für uns vorteilhaften Reaktion, wenn es gelingt, über die Fraktionen politischen Druck aufzubauen. Meine Erfahrung aus 20 Jahren Parlamentarismus ist, dass das Thema der Jagd nicht dazu geeignet ist, innerhalb von Koalitionen für Zerwürfnisse oder Auseinandersetzungen zu sorgen. An jagdlichen Fragen, selbst am Thema Wolf, ist noch keine Koalition gescheitert und wird auch in Zukunft nicht scheitern. Von daher: Konfrontation – im Sinne, die richtigen Argumente, entsprechenden Daten, Fakten und Zahlen vorzutragen, an denen keiner, der das Thema objektiv betrachtet, vorbei kommt – ja. Wenn ich feststelle, dass es an der Bereitschaft fehlt, die zur Kenntnis zu nehmen, weil man voreingenommen ist, dann muss dieser Stachel im Fleisch langsam ziehen und wehtun, dann muss man kommunizieren, dass man links liegen gelassen wird. So, wie ich es getan habe, als ich mich selbst zum Wolfsgipfel von Steffi Lemke eingeladen habe.
WuH: 80 % der Umweltgesetzgebung kommt heute aus Brüssel. Was folgt daraus für den DJV?
DT: Daraus folgt, dass wir in der Zusammenarbeit mit der FACE bessere Antennensysteme brauchen, dass wir zu einem strategischen Austausch kommen müssen, dass wir Themen frühzeitig analysieren und auf europäischer Ebene präventiv tätig werden können. Sind die Entwürfe erst mal schwarz auf weiß da, wird es schwer.
WuH: Heute war ein Paukenschlag, dass Dr. Wellershoff (Brandenburg) kurzfristig nicht erneut für das Amt des Schatzmeisters kandidiert hat.
DT: Herr Dr. Wellershoff hat frühzeitig kommuniziert, dass er entweder Schatzmeister bleiben oder nicht wieder antreten möchte. Vonseiten großer, mitgliederstarker Landesjagdverbände wurde Dr. Wellershoff frühzeitig signalisiert, dass man ihn als Vizepräsidenten und damit als Mitglied im geschäftsführenden Präsidium unterstützen würde. Dieses Angebot wurde bis 20 min vor Beginn der Delegiertenversammlung ausgeschlagen. Vor diesem Hintergrund wurde das Kandidatentableau erweitert. Diese Situation führte dazu, dass Dr. Wellershoff noch unter dem Tagesordnungspunkt Wahlen seine Kandidatur zurückgezogen hat.
WuH: Unter welche Devise wollen Sie Ihre Präsidentschaft stellen, was sind Ihre Kernanliegen?
DT: Das Hauptanliegen ist einerseits Geschlossenheit. Eine Interessenvertretung einer gesellschaftlichen Minderheit (wie der Jäger, Anm. d. Red.) hat nur dann eine Chance durchzudringen, wenn sie mit einer Stimme spricht. Die überwältigende Mehrheit der organisierten deutschen Jägerschaft ist über die Landesjagdverbände im DJV zusammengefasst, und wenn wir nach außen treten, muss es geschlossen sein. Damit verbinde ich den Wunsch, innerhalb von 15 Verbänden für Schwerpunktthemen eine Linie abzustimmen, die uns auch nach vorne bringt. Das ist nicht immer ganz einfach, nach 15 Jahren im Präsidium weiß ich, wovon ich spreche. Ich werde in Zukunft mit meinen Kollegen absprechen, ob wir nicht hin und wieder dem einen oder anderen LJV abverlangen müssen, bei abweichender Meinung die Auffassung des DJV mitzutragen. Natürlich kann man aber im eigenen LJV kommunizieren, dass man eine andere Position hatte, sich aber nicht durchsetzen konnte. Damit kann ich sehr gut leben. Die Alternative, sich immer auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen, hilft zwar, die Harmonie zu wahren, bringt uns aber verbandspolitisch nicht nach vorne.
WuH: Der Wald-Wild-Konflikt kam heute erneut zur Sprache. Gibt es etwas, dass Sie der Forstpartie mitgeben möchten?
DT: Nennen wir es den „Forst-Jagd-Konflikt“ – den sogenannten. Das Wild hat ja bekanntlich kein Problem mit dem Wald, und umgekehrt wahrscheinlich auch nicht. Ich persönlich war Ende der 80er-Jahre im heimischen Forstamt bereit, die waldbaulichen Ziele der Landesforsten zu unterstützen und bei neuen Jagdmethoden mitzugehen. Dafür bin ich als Hegeringleiter innerverbandlich enorm unter Druck gekommen. Aus heutiger Sicht würden die, die mich damals gescholten haben, dem damaligen Forstamtsleiter den roten Teppich ausrollen, weil das, was damals praktiziert wurde, sich gegen den ein oder anderen Auswuchs von heute harmlos ausnimmt. Vonseiten der Forstwirtschaft der öffentlichen Hand gibt es durchaus unterschiedliche Betrachtungsweisen auf diese Problematik, und nicht alle machen es sich so einfach, bei Schälschaden oder Verbiss pauschal nach einer Reduktion der Bestände zu rufen. Was wir brauchen ist eine zusätzliche Lebensraumbewertung. Viel entscheidender als die Zahl der Wildtiere ist deren Verteilung. Mit Ruhezonen und Äsungsflächen können wir Wild lenken, ebenso mit scharfer Jagd auf Aufforstungsflächen. Über ein Viertel des Waldes besteht rein aus Nadelholz, den Umbau zu Mischwald bekommen wir nur gemeinsam hin.
WuH: Also muss der DJV auch weiterhin die Hand ausstrecken?
DT: Ohne Zweifel. Am Ende des Tages bestimmt der Eigentümer des Jagdrechts, wer im Rahmen der Jagdgesetzgebung auf seiner Fläche wie jagt. Ich muss da an die öffentliche Hand appellieren, es sich nicht so einfach zu machen, und ich werde auch an politisch Verantwortliche herantreten müssen, um deutlich zu machen, dass § 1 BJagdG, der einen den landeskulturellen Verhältnissen angepassten Wildbestand vorsieht, auch für die öffentliche Hand gilt. D. h., wir werden uns treffen und Ziele gemeinsam absprechen müssen, aber die monokausale Aussage, „wir haben Schäden, Wildbestände runter“ ist zu einfach und angesichts des genannten § 1 BJagdG häufig nicht gerechtfertigt. Das gilt auch für das Bundeswaldgesetz. Deshalb fordern wir, hier die wildökologische Raumplanung als Standard festzuschreiben.
WuH: Gibt es zum Abschluss noch etwas, das Ihnen auf der Seele brennt?
DT: Wir müssen bei der Kommunikation in Zukunft neue Medien nutzen. Die junge Generation liest kein Print mehr ....ich weiß nicht ob Sie das schreiben möchten?
WuH: Natürlich.
DT: Die jungen Leute sind auch so gestrickt, dass sie einer Nachricht oft nur wenige Sekunden Aufmerksamkeit schenken. Ich persönlich habe den Ehrgeiz, in den nächsten Jahren ein System aufzubauen, das es uns ermöglicht, innerhalb von maximal 60 min., im Idealfall noch viel schneller, eine Entscheidung aus Brüssel, die die Jagd betrifft, in der Geschäftsstelle des DJV und der angeschlossenen Landesjagdverbände zu evaluieren, weiterzuleiten und jedem Mitglied zur Kenntnis zu bringen. Wenn wir das schaffen, sind wir auch schnell kampagnenfähig.
Die Fragen für WILD UND HUND stellte Richard Günzel.
Autor: Richard Günzel