13.09.2023
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6 Min

Nationalpark EGGE

Reanimierung einer Leiche

Der ehemalige Truppenübungsplatz Senne sollte einmal der 2. Nationalpark in Nordrhein-Westfalen werden. Nachdem das Gelände aber weiter militärisch genutzt werden soll und die Idee zunächst begraben war, wurde sie jetzt wieder exhumiert. Nicht allen gefällt das. Christoph Boll

Reanimierung einer Leiche

Bild: Marion Wessels/chb

Mit einer ersten Konferenz hat am 11. August der Findungsprozess für einen 2. Nationalpark in Nordrhein-Westfalen begonnen. In Ostwestfalen schrillen deshalb bei den einen die Alarmglocken, bei den anderen herrscht pure Vorfreude. Das Landesumweltministerium betont zwar, in dem Beteiligungsverfahren könnten verschiedene Regionen ihr Interesse bekunden. Eine Vorfestlegung auf eine bestimmte Region gebe es ebenso wenig wie einen Termin, bis wann eine Entscheidung für den 2. Nationalpark fallen wird. Im Koalitionsvertrag haben CDU und Grüne 2022 lediglich festgeschrieben, dass sie neben dem Nationalpark Eifel ein 2. entsprechendes Schutzgebiet ausweisen wollen. Nicht nur weil nirgendwo sonst im Lande Interesse bekundet wurde, richten sich alle Blicke nach Ostwestfalen. Seit rund 3 Jahrzehnten kämpft dort der Förderverein Nationalpark Senne-Eggegebirge für ein Schutzgebiet. Er steht damit an der Spitze einer Phalanx etlicher Umweltverbände, darunter NABU, BUND und Greenpeace.
 

Auf der Seite der Skeptiker und Kritiker stehen die regionale Holzwirtschaft und Möbelindustrie, Land- und Forstwirte und die betroffenen 3 Kreisjägerschaften mit insgesamt mehr als 5 000 Mitgliedern. Sie befürchten massive Nutzungseinschränkungen und sehen keine wirkliche ökologische Verbesserung. Schließlich genießen weite Teile der infrage kommenden Flächen als ausgewiesene Naturwaldzelle, Naturschutz-, Wildnis-, FFH- oder Vogelschutz- gebiet bereits einen hohen Schutzstatus. Berthold Antpöhler, Achim Frohß und Dirk Reese, die Vorsitzenden der Kreisjägerschaften Paderborn, Höxter und Lippe, verweisen darauf, „faktenbasiert ist nicht belegt, inwieweit die Ausweisung eines Nationalparks diesen ausgezeichneten Status noch verbessern kann oder besser schützt als bisher“. Die 3 kommen in ihrer ablehnenden Stellungnahme sogar zu dem Schluss, ein Nationalpark Egge werde „in der angedachten Gebietskulisse den Wechselwirkungen zwischen Lebensraum, wildbiologischen Anforderungen und Umwelteinflüssen nicht nur nicht gerecht, sondern stünde ihnen teilweise sogar kontraproduktiv gegenüber“.

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Berthold Antpöhler und seine VorsitzendenKollegen Achim Frohß und Dirk Reese lehnen für die Kreisjägerschaften Paderborn, Höxter und Lippe eine Nationalpark-Ausweisung ab. (Bild: LJV NRW/chb)

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(Bild: LJV NRW/chb)

Die längst auch von den Parteien vor Ort mit Informations- und Diskussionsveranstaltungen befeuerte Debatte erinnert an die Auseinandersetzungen vor einem Jahrzehnt. Nach der Landtagswahl 2010 nämlich war in Düsseldorf unter Federführung des grünen Umweltministers Johannes Remmel die Idee eines Nationalparks Senne-Egge-Teutoburger Wald massiv forciert worden. Sie fußte auf einem 1991 einstimmig gefassten Landtagsbeschluss, den Truppenübungsplatz Senne südlich von Bielefeld nach Ende der militärischen Nutzung, die damals für das Jahr 2020 avisiert war, in einen Nationalpark zu verwandeln.

Die Senne ist aber vom Idealbild eines Nationalparks als Wildnisgebiet weit entfernt. Nur der menschliche Einfluss und die militärische Nutzung haben sie als artenreiche, offene Heidelandschaft bewahrt. Um die Nationalparkkriterien zu erfüllen, sollten deshalb angrenzende Wälder des Egge- gebirges und des Teutoburger Waldes einbezogen und dem Prozessschutz überlassen werden. Massiv betroffen gewesen wären die Buchenwälder des ehemaligen regierenden Fürstenhauses zur Lippe. Das aber verweigerte von vornherein kategorisch jede Kooperation. Auch der Landesverband Lippe, dessen Grundbesitz unerlässlich gewesen wäre, lehnte nach Rechtsgutachten und negativen Entscheidungen der Kommunen eine Beteiligung letztlich ab. Damit gab es keine den rechtlichen Anforderungen für einen Nationalpark genügende Gebietskulisse. Das Vorhaben war tot.
 

Insofern ist der erneute Anlauf nun das Bemühen um die Reanimierung einer Leiche. Auch wenn die Senne zunächst, weil auf unabsehbare Zeit weiter militärisch genutzt, außen vor ist, hält der Förderverein an dem Gesamtkonzept aus Remmelscher Zeit fest. Er setze sich dafür ein, dass der 2. nordrhein-westfälische Nationalpark „auf den landeseigenen Flächen des Eggegebirges realisiert wird“, heißt es auf der Homepage. Dem entsprechend stellte Vorsitzender Hans Jürgen Wessels in einer SPD-Veranstaltung in Schlangen eine Gebietskulisse von 12 400 ha vor, die ausschließlich landeseigene Flächen umfasst. Das soll aber keinesfalls eine Abkehr von der Senne sein, wird auf der Homepage betont. Denn „langfristig wollen wir einen Nationalpark, der sowohl den heutigen britischen Truppenübungsplatz Senne als auch wesentliche Teile des Eggegebirges umfasst. Als Bindeglied käme nach unseren Vorstellungen auch noch ein Teil des südlichen Teutoburger Waldes hinzu.“
 
 

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Die grünen Bereiche zeigen die sogenannten Gebietskulissen für den Nationalpark. Der obere Bereichwird von den Planern des Fördervereins Nationalpark Senne-Eggegebirge als „Egg Nord“ bezeichnet, der untereTeil trägt den Arbeitstitel „Egg Süd“. (Bild: Grafik: Schultheiß/chb)

Für einen Nationalpark in Ostwestfalen gibt es zumindest vom grünen Koalitionspartner in Düsseldorf reichlich positive Signale. So bezeichnete es Umweltminister Oliver Krischer als Ironie des Schicksals, dass dieses Schutzgebiet noch immer nicht existiere, obwohl darüber bereits länger diskutiert werde als über den bestehenden Nationalpark Eifel. Und sein Staatssekretär Viktor Haase bescheinigte gute Chancen, den im Koalitionsvertrag verbrieften 2. NRW-Nationalpark in der Egge einrichten zu können. Ostwestfalen-Lippe habe „enormes Nationalpark-Potenzial“. Er sehe NRW-weit keine Region, die vergleichbar gut geeignet sei.
 

Krischer und Haase betonen aber gleichermaßen, dass es neben der naturschutzfachlichen Eignung entscheidend auf eine überzeugende Bekundung des regionalen Willens ankomme. Dabei aber ist völlig offen, wer diesen Willen formuliert. Deshalb hat Michael Stickeln, Landrat des Kreises Höxter, in einem Schreiben an den Minister dafür plädiert, die Kreistage entscheiden zu lassen. In einem anderen Schreiben hatte er bereits zuvor CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst an das vormalige Scheitern „aufgrund des großen Widerstands“ erinnert und Zeit bis in den Spätherbst 2023 für die Willensbildung in der Region gefordert.

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Michael Stickeln, Landrat des Kreises Höxter, fordert, die Kommunalparlamente einzubinden. (Bild: Kreis Höxter/chb)

Autor: Christoph Boll