24.08.2023
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TIERSCHUTZSKANDAL

Quält NABU Weidetiere zu Tode?

Das Image des Umweltverbandes, der sich gern als Experte für Natur-, Arten- und Tierschutz präsentiert, hat Risse bekommen. Nachdem bei einem Weidetierprojekt mehrere Tiere eingegangen sind, ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft. Der Landkreis Leer will das mit öffentlichen Mitteln finanzierte Projekt einstellen. Markus Hölzel

Quält NABU Weidetiere zu Tode?

Bild: FVN/mh

Die Herden des NABU-Niedersachsen sind beachtlich. 90 Rinder und 45 Pferde grasen in Ostfriesland zu Naturschutzzwecken. Nachdem 3 Heckrinder und 2 Fohlen tot aufgefunden wurden bzw. eingeschläfert werden mussten, ist der Umweltverband wieder in den Schlagzeilen, und das nicht zum ersten Mal. Nachdem im Mai auf dem Woldenhof im Landkreis Leer der Vorwurf der Tierquälerei die Behörden auf den Plan rief (s. WuH 12/2023, S. 10), ist es jetzt auf den NABU-Flächen Nüttermoor und Coldam im selben Landkreis neben der Tierquälerei der Vorwurf der Gewässerverschmutzung.
 
Die Tiere seien unterernährt und gesetzlich vorgeschriebene Blutproben nicht genommen worden, lauten die Beschuldigungen. Die Kadaver der beiden verendeten Fohlen sind nach Angaben des Landkreises vom NABU ohne Meldung an das Veterinäramt entsorgt worden, sodass eine pathologische Untersuchung nicht möglich war. Diese hatte bei den eingegangenen Heckrindern einen hohen Parasitenbefall und Unterernährung als Todesursache ergeben. Die noch lebenden Pferde wiesen laut Veterinäramt ebenfalls Versorgungsmängel und Hufrehe auf.
 
Zudem hatte der Verband auf dem Thedingaer-Vorwerk eine gigantische Abfallhalde aus Mist, weiteren Fäkalien, Futter- und Folienresten angehäuft. Die Behörden hatten den NABU mehrfach dazu aufgefordert, den Müll zu entsorgen, zuletzt durch Androhung einer Ersatzvornahme. Schließlich erfolgte die Räumung für weit über 100 000 €, die Fläche wurde anschließend mit hellem Sand abgedeckt. Zuvor hatten Mitglieder des Friesischen Verbandes für Naturschutz (FVN) aus einem direkt neben der Misthalde verlaufenden Abflussgraben Proben gezogen. Die Ergebnisse zeigten eine erhebliche Überschreitung der geltenden Grenzwerte für Nitrat und Phosphor. Es wurde Anzeige wegen Gewässerverunreinigung und Tierquälerei gegen den NABU und dessen Landesvorsitzenden Holger Buschmann erstattet. „Die hohen Werte deuten auf die Entsorgung von Gülle hin, und das ist aus gutem Grund verboten“, erklärt Hero Schulte, stellvertretender Vorsitzender des FVN. Buschmann spricht dagegen von einer „Rufmordkampagne“ gegen seinen Verein.
 
Die Todesursache der Konik-Fohlen sei „unklar“, Drohnenflüge über dem Gelände hätten diese in schlammige Gräben getrieben, wo sie verendet seien. Dieser Erklärungsversuch entspricht dem aus dem Jahr 2008: Damals war es auf denselben Flächen im Rahmen des NABU-Weideprojektes zum Verenden von 18 Heckrindern unter ähnlichen Umständen gekommen (s. WuH 10/2008, S. 14). Die Ursachen damals waren laut Betreiber „rätselhaft und mysteriös“, gemutmaßt wurden Fotografen, Tiefflieger, wildernde Hunde, Gift oder die Blauzungenkrankheit, aber nicht die inkompetente Form der Weidetierhaltung. „Man fragt sich schon, wie es möglich ist, dass nach diesem Desaster damals die Fortführung der Weidetierhaltung auf diesen Flächen durch den NABU möglich blieb“, sagt Hero Schulte. Seine Erklärung: die schützende Hand der Politik.

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An dieser Stelle befand sich eine gigantische Halde aus Mist und Fäkalien, die der NABU entsorgen lassen musste. (Bild: FVN/mh)
Doch damit könnte jetzt Schluss sein: Der Landkreis Leer kann sich ebenfalls an die Vorfälle von 2008 erinnern und hat dem Umweltverband ein Ultimatum gesetzt, dass dieser die Herden bis zum 30. September aufzulösen hat. NABU-­Präsident Buschmann steht mittlerweile mit dem Rücken zur Wand. In mehreren Pressemitteilungen und einer Pressekonferenz keilte er um sich und klagt mittlerweile gegen den Landkreis. Schließlich habe der NABU Fehler eingeräumt, und nun stelle sich der Landkreis trotzdem quer, argumentiert er. Die Auflagen des Landkreises bezeichnet er teilweise als unsinnig, die Fristen als zu kurz gesetzt und bezichtigt die Behörde, die Unwahrheit zu sagen und Falschbehauptungen in die Welt zu setzen. Der Landkreis Leer reagierte umgehend und bekräftigte die Absicht, die Weideprojekte des Umweltverbandes beenden zu wollen. Die Behörde bestätigte nochmals den schlechten Ernährungszustand, Parasitenbefall und Mineralstoffmangel der Tiere. Zudem standen diese im ­wadentiefen Morast. „Die Schilderung des NABU beschreibt nicht annähernd die Situation, die tatsächlich vorgefunden wurde“, so der Landkreis. Bei der Betreuung und Versorgung der Herde habe es eine ganze Reihe von Mängeln gegeben, die auf schlechtes Management hinweise. Und weiter: „Die seuchenrechtlich vorgesehenen Blutuntersuchungen sind ebenso wenig erfolgt wie eine ordnungsgemäße Kennzeichnung. Die Besatzdichte war und ist zu hoch. Bei den ersten Kontrollen konnten nicht einmal Angaben über die Anzahl der Tiere gemacht werden.“
 
Die Betreuung war aufgrund von Überlastung und schließlich Kündigung der Mitarbeiter nicht gegeben. Eine Mitwirkungspflicht wurde anfangs verweigert. Zwar sei der Landkreis „bemüht gewesen, Lösungen in Kooperation mit dem NABU zu finden“, doch seien Absprachen nicht eingehalten und Fristen versäumt worden, das Krisenmanagement habe nicht richtig funktioniert. Mit Bezug auf die ähnlichen Vorfälle 2008 erklärt der Landkreis: „Dass nun wiederholt Missstände auftreten, die aus einem mangelhaften Management resultieren, lässt eine positive Prognose nicht mehr zu. (…) Die Erfahrungen der letzten Monate lassen aus Sicht des Landkreises nicht erwarten, dass eine ­dauerhaft verlässliche und tierschutzgerechte Versorgung und Betreuung der Tiere gewährleistet werden kann.“

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Gegen NABU-Präsident Holger Buschmann wurde Anzeige wegen Tierquälerei und Gewässerverschmutzung erstattet. (Bild: Markus Hölzel)

„Wir sehen Buschmann in der persönlichen Verantwortung für die Vorfälle und fordern den NABU-Bundesverband auf, ihn abzusetzen“, sagt FVN-Vorstand Schulte. Nach seiner Auffassung litten die NABU-Projekte an einem grundsätz­lichen Problem: „Tierhaltung gehört in die Hand von Profis, und da sind ausgebildete Landwirte gefragt und keine ehrenamtlichen Naturschützer oder Billiglöhner. Diese Form der Tierhaltung durch Verbände auf der Suche nach Fördermitteln muss verboten werden.“ Fördermittel scheinen eine wesent­liche Motivation für solche Projekte zu sein. Zwar wird die NABU-Tochter LUNO gGmbH als Pächterin der sich im Eigentum der Stadt Leer befindlichen Flächen bezeichnet, doch erhält sie laut Auskunft der Stadtverwaltung von dieser jährlich 10 500 € für die Bewirtschaftung. Hinzu kommen laut NABU die „üblichen Agrarfördermaßnahmen für Weidemaßnahmen, die jedem landwirtschaftlichen Betrieb zustehen“. Das können bei extensiver Weidetierhaltung bis zu 1 000 € pro Jahr und Hektar sein, im Falle der Flächen auf dem Thedingaer Vorwerk also rund 40 000 € pro Jahr.

Autor: Markus Hölzel