14.08.2023
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Interview mit JGHV-Präsident Karl Walch

"Kupieren geht uns alle an"

Noch ist das Kupieren von Jagdhunden als Ausnahme möglich. Doch das grün geführte Bundeslandwirtschaftsministerium will diese jetzt streichen. WILD UND HUND sprach mit JGHV-Präsident Karl Walch, warum er an der Ausnahme festhalten will.

"Kupieren geht uns alle an"

Bild: Michael Woisetschläger

WuH: Besonders bei Hundeführern, die keine Rasse führen, die ­kupiert wird, oder bei Jägern ohne Hund führt die Diskussion um das Kupieren oft zu Unverständnis. Würden Sie kurz auf den Punkt bringen, warum unbedingt weiterhin kupiert werden sollte?
Karl Walch: Wie der Tierschutzbeauftragte unseres Verbandes bei der Begründung der Resolution zur Beibehaltung der Regelung 2021 feststellte, ist das Kupieren von Jagdgebrauchshunden bestimmter Rassen eine Maßnahme, die schweren Verletzungen im Jagdbetrieb vorbeugt. Wir brauchen gesunde Hunde, um unserem Auftrag bei der Jagd nachzukommen. Stellen Sie sich vor, mitten in der Bewegungsjagdsaison zieht sich ein unkupierter Hund eine schmerzhafte Verletzung der Rute zu. Bis die Wunde verheilt ist, fällt er oft mehrere Wochen lang aus und ist jagdlich nicht einsetzbar. Solche Wunden verheilen schlecht, entzünden sich häufig, und nicht selten droht im Wiederholungsfall eine wirklich schmerzhafte und den Vierläufer sehr beeinträchtigende Amputation.

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Würden Rassen wie bspw. dieser Deutsch-Kurzhaar nicht kupiert, bestünden erhebliche Verletzungsrisiken der Rute beim jagdlichen Einsatz – das Kupieren ist nach Ansicht des JGHV daher eine vorbeugende Maßnahme. (Bild: Michael Stadtfeld)

WuH: Es liegt in der Verantwortung des Züchters, die Welpen spätestens bis zum 3. oder 4. Lebenstag kupieren zu lassen. Doch immer wieder sieht man Verkaufsangebote von unkupierten Jagdhunden. Wie kommt das, ist man sich im Verband uneinig?
Karl Walch: Nein, prinzipiell sind sich alle Zuchtverbände der betroffenen Rassen über die Notwendigkeit zu kupieren einig. Das zeigte auch die Abstimmung zur genannten Resolution, die ohne Gegenstimmen beschlossen wurde. Wenn Welpen der betroffenen Rassen nicht kupiert angeboten werden, kann dies m. E. auch mit finanziellenen Gründen verbunden sein. Denn kupierte Hunde dürfen nur an Jäger verkauft werden, während Hunde mit voller Rutenlänge auch an Privatleute gehen dürfen, um dort als Begleithund ihr Leben zu verbringen. Manche Züchter produzieren an der jagdlichen Nachfrage vorbei. Das ist nicht Sinn der Gebrauchshundezucht.

WuH: Das klingt, als wären Sie darüber nicht wirklich glücklich?
Karl Walch: Es kann natürlich nicht in unserem Interesse sein, dass triebstarke Hunde aus einer Leistungszucht nicht jagdlich geführt werden. Häufig sind sie in privaten Händen auch nicht ausgelastet, und es ist grotesk, sich darüber zu wundern, dass sie dann auch noch Jagdtrieb haben und ggf. Probleme bereiten. Unsere Züchter sollten Interesse daran haben, bedarfsgerecht zu züchten, vom Jäger für den Jäger, und nicht für einen breiten Markt, nur um ihre Nachzucht zu verkaufen.

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Im schlimmsten Fall dauerhafter und wiederkehrender Verletzungen muss die Rute des adulten Hundes amputiert werden – eine schmerzhafte und nicht schöne Sache! (Bild: Shutterstock)

WuH: Ein häufig gehörtes Argument der Gegner des ­Kupierens ist, der Hund würde Schmerzen beim Eingriff erleiden und zudem in seiner Kommunikationsfähigkeit eingeschränkt. Was sagen Sie dazu?
Karl Walch: Maßnahme wie das Kupieren müssen selbstverständlich tierschutzrechtlich vertretbar sein. Bei solch einem Eingriff stellt sich immer die Frage: Ist er angemessen, erforderlich und geeignet?Angemessen ist solch eine Maßnahme, wenn sie im Verhältnis zur möglichen, abzuwendenden Gefahr – nämlich der einer Rutenverletzung – das kleinere Übel darstellt. Das kann definitiv bejaht werden. Sie ist auch erforderlich, denn ohne sie müssten wir uns bei jeder Arbeit mit dem Hund die Frage stellen, ob er eingesetzt werden kann oder die Verletzungsgefahr überwiegt. Und natürlich ist sie geeignet, denn was nicht vorhanden ist, ist nicht gefährdet. Was die Kommunikationsfähigkeit angeht, liegt die Antwort auf der Hand: Wir reden nicht von Stummelschwänzchen, wie sie bspw. früher Boxer, Rottweiler oder Dobermänner trugen, sondern von funktionstüchtigen Ruten, bei denen i. d. R. lediglich 1/4 bis 1/3 der Länge – eben der am meisten gefährdete Teil – entfernt wurde. Damit ist die Körpersprache des Vierläufers keineswegs beeinträchtigt.

WuH: Wir wollen zwar hoffen, dass die Bemühungen des JGHV Früchte tragen und die bisherige Regelung bestehen bleibt. Dennoch: Was wären die Auswirkungen, sollte das Kupierverbot auch für uns Jäger gelten?
Karl Walch: Ganz klar – die Jagd im Allgemeinen würde massiv leiden. Sobald nur noch unkupierte Vierläufer im Jagdeinsatz wären, hätten wir regelmäßig Hunde, die trotz guter körperlicher Leistung verletzungsbedingt auf Gesellschaftsjagden, Drückjagden oder bei der Wasser­arbeit nicht mehr zur Verfügung stünden. Entweder weil sie verletzungsbedingt ausfallen oder weil sie aufgrund der Risiken von ihren Führern nicht mehr eingesetzt würden.

WuH: Gibt es eine Botschaft an unsere Hundeführer, die Sie ihnen mit auf den Weg geben wollen?
Karl Walch: Nicht nur den Hundeführern der betroffenen Rassen, sondern allen Jägern und auch Hundeführern von Rassen, die vom Kupierverbot nicht tangiert werden, muss man sagen: Die Kupierfrage geht uns alle an, da sie Auswirkungen auf viele Bereiche der Jagd hat. Mit den unkupierten Rassen allein lässt sich das große Tätigkeitsfeld unserer Hunde nicht stemmen. Positionieren Sie sich, klären Sie auf und unter­stützen Sie unsere Sache!

Die Fragen für WILD UND HUND stellten Michael Woisetschläger und Sascha Schmitt.
 
 
Resolution des JGHV zum Rutenkupieren von Jagdgebrauchshunden vom 22.8.2021
Der Jagdgebrauchshundverband (JGHV) hält die Beibehaltung dieser Regelung aus Tierschutzgründen für dringend notwendig, um der Verletzungsgefahr für ­bestimmte Jagdhunderassen im Einsatz vorzubeugen. Zu diesen gehören u. a. Deutsch-Drahthaar, Deutsch-Kurzhaar, Deutsch-Stichelhaar, Weimaraner (Kurzhaar), Pudelpointer, Griffon, Magyar Viszla, Deutscher Jagdterrier, Glatthaar Foxterrier, Drahthaar Foxterrier, Parson Russell Terrier, Deutscher Wachtelhund, Bretonischer Vorstehhund und Spaniel. Als Entscheidungshilfe für die Einzelfalllösung schlägt der JGHV folgende Punkte vor:
1. Die Entscheidung im Einzelfall wird vom Tierarzt getroffen, der auch den Eingriff durchführt.
2. Der Eingriff durch den Tierarzt erfolgt in den ersten 4 Lebenstagen der Welpen.
3. Das Kürzen der Rute erfolgt bis maximal zur Hälfte, um die mit der Funktion der Rute verbundenen Leistungen, z. B. Kommunikationsmittel bei Caniden, zu erhalten.
4. Der Züchter muss dem Tierarzt eine Bescheinigung seines Zuchtverbandes vorlegen, aus der hervorgeht, dass es sich ausschließlich um Welpen aus jagdlicher Leistungszucht handelt.
5. Der Einzelfall betrifft ausschließlich Hunde, die für die jagdliche Verwendung vorgesehen sind. Kupierte Hunde ­ werden ausnahmslos an Jäger abgegeben.
6. Das Kürzen der Rute von Hunden
bestimmter Rassen zur jagdlichen
Verwendung ist unerlässlich. Die
Maßnahme dient dem Tierschutz, ­ um zu erwartende Verletzungen bei jagdlich geführten Hunden zu vermeiden.
7. Das Kupieren ist kein Rassestandard.

 

 

Kommentar: Wehrt Euch und redet darüber!

Als ich 2018 eine lange Fahrt nach Norddeutschland zu einem Züchter antrat, wusste ich zwar durch einige Telefonate, dass Rüde und Hündin jagdlich geführt wurden, mir gefielen und die Anpaarung wohl das bieten würde, was mir als künftigem Terrierführer wichtig war. Aber eines hatte ich völlig vergessen zu erfragen - weil es mir selbstverständlich schien: Die Frage danach, ob der Rüde kupiert sei. Als die kleine Wurst namens „Otto“ dann auf meinem Handteller lag und mir gefiel, schob ich bei der Kaufentscheidung den Umstand, dass das „Schwänzchen“ doch etwas zu lang schien, beiseite. Trotz langer Rute macht der Weiße seinen Job, unerbittlich und stets an meiner Seite. Auch wenn bei jeder Rückkehr nach der Drückjagd der besorgte Blick stets auf die wedelnde Rute wandert. Alles dran, unverletzt? Es ist ein großes Glück, dass „Otto“ bisher von Verletzungen verschont geblieben ist. Leider habe ich inzwischen eine ganze Reihe böser Rutenverletzungen anderer Hunde gesehen. Wohler wäre es mir, er hätte eine handlich-kurze Rute, die ein deutlich geringeres Verletzungsrisiko mit sich bringt. Stünde ich heute vor der Entscheidung, mit oder ohne, fiele sie ganz klar auf ohne. Michael Woisetschläger

Autor: Michael Woisetschläger und Sascha Schmitt