Schwarzwildübungsgatter, Teil 3
Borstige Lehrmeister
Die ersten Kontakte des Hundes mit Wutzen sind wichtig für sein ganzes Jagdhundeleben. Michael Woisetschläger besuchte Gattermeister Christian Meyer und ließ sich zeigen, wie dieser gezielt einzelne Sauen aussucht, um den Vierläufern wichtige Lektionen zu erteilen.
Bild: Michael Woisetschläger
Heute sind 2 Junghunde zum Training am Gewöhnungskorridor angemeldet: Der 4 Monate alte Cocker Spaniel „Bruce“ und der 10 Monate alte Deutsch-Langhaar „Falk“. Zunächst werden die Papiere und Chip-Nummern der Vierläufer überprüft, dann folgt eine Belehrung durch den Gattermeister: „Zum Training zugelassen sind hier JGHV-anerkannte Jagdhunde und deren Mischlinge“, erklärt Meyer. „Desweiteren kommt jeder Hund, der erstmals im Hunsrück vorstellig wird, am Prägungskorridor durch den Zaun hinweg an die Sauen. So bekomme ich einen Eindruck vom Verhältnis Hund und Führer, sehe, wie er sich am Schwarzwild verhält und kann einschätzen, wie die nächste Übungseinheit aussehen soll.“
„Bruce“ und „Falk“ sind heute beide das 1. Mal im Gatter und werden daher nur am Prägungskorridor gearbeitet. „Das ist eine wichtige Übung, v. a. bei dem noch sehr jungen Cocker“, erläutert Meyer. „Bei ihm liegt das Augenmerk darauf, zunächst überhaupt das Interesse für die Zielwildart zu wecken.“ In den vergangenen Tagen hat es ziemlich geregnet, der Weg am Zaun des Korridors ist aufgeweicht und mit tiefen Pfützen gesäht. In wenigen Minuten sieht der vorher flauschig weich anmutende Spaniel wie ein echter Jagdhund aus. Doch die 3 Wutzen, die sich mit dem Gattermeister im Korridor befinden, würdigt er nur eines Seitenblicks. Ist es noch zu früh für den Kleinen? Er scheint noch nicht zu wissen, was der ganze Trubel zu bedeuten hat. Dann legt Meyer los. Ganz in seinem Element und ungeachtet des Schlamms rennt er mit seinen Wutzen den Korridor hoch und runter. Der Junghund beobachtet das Geschehen nun interessierter. Als Meyer beim nächsten Sprint hinter den Sauen auch noch hell zu bellen beginnt, kommt ein kurzes Wuff aus „Bruce‘s“ Kehle. Seine Hundeführerin reagiert perfekt: Sofort lobt sie den Kleinen überschwänglich. Schnell verknüpft der Zögling, dass er gelobt wird, wenn er Hals gibt. Der Laut bricht aus ihm heraus. „Gut gemacht! Abtragen, loben, es reicht für heute!“, ruft Meyer und gesellt sich zur Hundeführerin. „Genau bei einem Hund wie ‚Bruce‘ hätte man vorschnell urteilen können, er sei einfach noch nicht so weit“, erklärt er sein Vorgehen im Korridor. „Deshalb habe ich versucht, ihm quasi als Vorbild zu zeigen, dass wir hier die Sauen arbeiten wollen und das eine tolle Sache ist.“ Das Trainingsziel für heute ist erreicht und „Bruce“ wird in einigen Monaten erneut das Gatter besuchen. „Der junge Spaniel wird bei der nächsten Einheit im Arbeitsgatter zuerst an unseren ruhigeren Sauen, ‚Elvis‘, ‚Erna‘ und ‚Ruth‘ arbeiten“, konstatiert Meyer. „Für ihn ist wichtig, positive Erfahrungen zu machen. Würde er bspw. vom wehrhaften ‚Napoleon‘ gleich bei seinen ersten Versuchen angenommen, könnte die Prägung in die falsche Richtung gehen.“
„Jeder Hund ist anders, und es ist jedes Mal eine Herausforderung, sich auf den Vierläufer einzustellen und zu sehen, was er braucht. Das ist das Tolle an meinem Job, es wird nie langweilig“, schwärmt Meyer und betont, wie wichtig die richtige Prägung ist. Ein 1-jähriger Border Terrier sei vor einiger Zeit hier gewesen, hatte dann im Arbeitsgatter an der langen Leine erstmals Kontakt mit den Sauen, zeigte sich gut, wurde dann geschnallt. „Zunächst bedrängte er den etwa 3-jährigen Keiler „Napoleon“, wurde dann etwas zu heftig und landete nach einem Körperkontakt mit der Wutz im Graben. Er rappelte sich wieder auf, ging wieder an die Sau, wurde wieder angenommen und landete erneut im Matsch. „Dann schien er sich kurz zu besinnen“, erinnert sich Meyer. „Ich stellte mich kurz zwischen Sau und Hund, um ihm einen Moment zum Nachdenken zu geben. Als er dann wieder an die Sauen ging, arbeitete er überlegt, bewegte zunächst die Bache ‚Liesel‘ und merkte, wie er sie bewegen kann. Da machte es Klick.“ Bei dieser Arbeit spielten die Charaktere der Wutzen eine große Rolle, erläutert Meyer: „Während bspw. ‚Napoleon‘ sich weniger gefallen lässt und schneller einen Gegenangriff startet, sei ‚Liesel‘ meist schneller durch einen unerfahrenen Hund zu arbeiten. Als nächstes traute sich der Terrier an den 2. Keiler der Rotte, „Zeus“, heran. Der nahm zwar an, der Hund wich aber nun geschickter aus, bedrängte weiter und konnte auch ihn bewegen. Nach dem Abrufen war klar, dass der Terrier eine wichtige Lektion gelernt hatte und ideal auf Schwarzwild geprägt wurde.
Wie wichtig es sei, jeden Hund gut einzuarbeiten, könne nicht genug betont werden. „Ich erlebe oft, dass nicht gezielt vorbereitete Hunde dazu neigen, sich eigengefährdend in die Schlacht zu stürzen“, antwortet Meyer. Eine 8-jährige DD-Hündin war bspw. zwar bereits jagderprobt, aber nie gezielt eingearbeitet worden. Im Arbeitsgatter stürzte sie sich an der langen Leine wie wild auf die Wutzen und wollte gleich am Teller packen. „In unserem Saugatter gibt es 2 Rotten, von denen eine etwas duldsamer den Hunden gegenüber ist, und die andere, deutlich wehrhaftere – zu der ‚Anna‘, ‚Napoleon‘, ‚Zeus‘ und ‚Liesel‘ gehören“, so der Gattermeister. „Die DD-Hündin wurde dann natürlich der 2. Rotte vorgestellt, die ihr durch mehrfaches Annehmen deutlich zeigte, dass blindes Packen keine gute Idee ist.“ Als die Hündin das 1. Mal geschnallt wurde, wurde sie von den Wutzen gemaßregelt und merkte, dass weniger manchmal mehr ist. Von jetzt auf gleich schaltete sie um und arbeitete in perfekter Weise, bedrängte und bewegte die Schwarzkittel, aber ohne unnötige Härte und Schärfe. „Auch beim nächsten Gatterbesuch war ihr Verhalten perfekt, die Lektion saß“, schmunzelt Meyer.
Gar keine Probleme mit Schwarzwild hat auch der 2. Schüler dieses Tages, der 10 Monate alte Deutsch-Langhaar. Bereits an der Leine seines Führers zeigt sich „Falk“ unbändig – und mehr als nur interessiert an den Schwarzkitteln. Geschnallt fliegt er förmlich am Zaun entlang und gibt von Beginn an Laut. Er bedrängt die Wutzen durch den Maschendraht und lässt keine Zweifel daran, dass er sie gerne jagen will. Diese Trainingseinheit ist schnell beendet. „Dass der Rüde Sauen toll findet, war überdeutlich“, erläutert Christian Meyer. „Beim nächsten Mal werden wir sehen, wie er sich ohne Zaun verhält. ‚Falk‘ zeigt sich sehr motiviert und wird daher gleich an den etwas wehrhafteren Wutzen arbeiten, damit er bei aller Motivation nicht vergisst, dass die Schwarzkittel sich auch wehren können. Es ist natürlich möglich, dass er ohne Zaun völlig anders reagiert. Aber falls er zu arg rangeht, werden wir auch dafür eine Lösung finden. ‚Napoleon‘ und ‚Zeus‘ werden ihm gute Lehrmeister sein.
Autor: Michael Woisetschläger