28.06.2024
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WUH
Ausgabe 13/2024
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10 Min

Mensch-Hund-Kommunikation

Bindung durch Körpersprache

Sind Jagdhunde so komplizierte ­Wesen? Oder ist es der Mensch, der seinen Vierläufer nicht richtig versteht? Wie Sie lernen, was der Hund durch seine Körpersprache ausdrücken und vermitteln will, erläutert Theodor Heßling.

Bindung durch Körpersprache

Bild: Shutterstock

Hunde sind seit vielen Jahrhunderten treue Jagdbegleiter. Ein Team muss sich verstehen, sonst kommt es zu Miss­verständnissen, und das macht für beide eine gute Zusammenarbeit unmöglich. Zu verstehen, was Vierläufer durch ihre Körpersprache mitteilen wollen, ist besonders bei Jagdhunden wichtig, da bereits kleinste Kommunikationsfehler in der Ausbildung fatale Folgen haben können. Entscheidende Grundlage der Mensch-Hund-Beziehung ist die emotionale Bindung. Die Körpersprache, die körperliche Nähe, sorgt für Entspannung, Sozialsicherheit, ausgeglichenes Wesen und Vertrauen zum Führer. Ich glaube, dass jeder Jäger das erreichen möchte, aber das kann er nur, wenn er den Hund lesen kann.

Kommunikation des Hundes
Unsere Hunde verfügen über vielfältige Kommunikationsebenen, die als optisch, akustisch, olfaktorisch oder taktil bezeichnet werden. Sie werden oftmals kombiniert, und welche Strategie gewählt wird, ist unter anderem abhängig von der speziellen Situation, dem gesundheitlichen Zustand, den Sozialisations- und den Lernerfahrungen sowie der Genetik. Einige der wichtigsten Verhaltensweisen im Überblick:
Beschwichtigungsgesten: Gekrümmte Haltung, eingezogene Rute, angehobene Pfote
Selbstsicheres Drohen: Aufgerichteter Körper, gezogene Rute und Lefzen, Knurren
Spielaufforderung/Aufmerksamkeit: Entspannter Körper, in Rückenlinie getragene Rute, gestellte Behänge, freundlicher, wacher Blick
Erste Anzeichen von Stress: Eingezogener Rücken, eng angelegte Behänge, eingezogene Rute und starkes Hecheln

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Deutlich zeigt der dominante Terrier-Rüde mit aufgerichtetem Körper, gezogener Rute und leicht gezogenen Lefzen, wer hier das Sagen hat. (Bild: Shutterstock)

Fachlich wird die Mimik bei Hunden auch die lautlose Schnauze genannt. Besonders Maulwinkel, Augen, Behänge und Rute werden genutzt, um etwas zu übermitteln. Aber auch der restliche Körper wird zur Kommunikation eingesetzt. Gestik und Mimik dienen unseren Hunden v. a. dazu, Konflikte zu beheben oder diesen aus dem Weg zu gehen. Entsprechende Dominanz-, Droh- und Unterwürfigkeitssignale sorgen dafür, dass das Umfeld sie verstehen kann. Besonders die Rutenhaltung ist ein gut erkennbares Signal: Trägt ein Vierläufer seine Rute stark über die ­Rückenlinie gezogen, ist das i. d. R. ein Imponierverhalten und bedeutet, dass der Hund sich in einem starken Erregungszustand befindet. Das kann positiv, aber auch negativ sein. Ähnlich ist dies beim „Haaresträuben“, das ebenfalls ein Zeichen der Erregung ist, aber auch Un­sicherheit sowie Dominanz ausdrücken kann.
Bei unseren Hunden ist die Körpersprache – im Gegensatz zu Wölfen – durch die Domestikation stark verändert worden. Viele Vierläufer warnen nicht mehr, bevor sie aggressiv handeln. Oft ist keine Beißhemmung vorhanden, auch gegenüber Welpen nicht. Sozialverhalten gegenüber Artgenossen oder bei Fremdkontakten fehlt, und einige Rassen sind übersensibel. Besonders während der Ausbildung kommt es zu Übersprungshandlungen, wie plötzliches Lecken, Gähnen, sich schütteln oder kratzen, grundloses Scharren oder Graben, Laut geben oder plötzliches Aufnehmen von Gegenständen.

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So bitte nicht! Von oben den Kopf des Hundes zu streicheln, kann von ihm schnell als Bedrohung wahrgenommen werden – besonders bei Fremden. (Bild: Shutterstock)

Missverständnisse
Kommunikation vom Mensch zum Hund findet v. a. über verbale Laut­äußerungen, aber auch vielfach über Gestik und taktile Reize statt. Sie wird in der Ausbildung von Jagdhunden oft unterschätzt, während sie bei der Ausbildung von Diensthunden einen hohen Stellenwert hat. Bei der Arbeit mit dem Hund im jagdlichen Bereich gibt der Ausbilder unbewusst viele Signale, die der Zögling nicht verwerten kann. In ­1. Linie sollte darauf ­geachtet werden, keine bedrohlichen Handlungen einzubauen, um den Hund nicht zu blockieren. Grobe Fehler des Menschen im Kommunikationsbereich führen oft zu Missverständnissen. Bsp.: Der direkte Augenkontakt durch eine Fremdperson kann von charakterstarken Hunden als Bedrohung gedeutet werden und eine aggressive Gegenreaktion auslösen. Bei vertrauten Menschen wiederum kann es ein Hilfeersuchen oder ein Positivkontakt sein. Beugt sich der Mensch großflächig über den Hund, führt dies häufig zu einem Angst- oder Unsicherheitsverhalten. Bei frei­ lebenden Wölfen ist dieses Überdeckungsverhalten eine Dominanzgeste. Die Handlung wird vom Vierläufer also schnell als Bedrohung eingestuft, was aggresives Verhalten verstärken kann. Gleiches gilt, wenn fremde Hunde längere Zeit über den Kopf gestreichelt werden: Das kann bei charakterstarken Vierläufern Aggressionen auslösen, da sie sich dominiert fühlen. Es gibt durchaus Hunde, die dies eine kurze Zeit dulden, dann aber die Hemmung verlieren und beißen.
Auch hektische Körperbewegungen können einen Hund stark verunsichern. Es ist deshalb besonders in der jagdlichen Ausbildung wichtig, dass die ausbildende Person sich ruhig und fließend bewegt. Ruckartige Bewegungen, etwa mit einem Apportel zum Fang des Hundes oder zu schnelles Abnehmen desselben, können missverstanden werden. So sollte bspw. die Korrektur an der Leine für fehlerhaftes „Bei-Fuß-Gehen“ zwar schnell, aber nicht hektisch umgesetzt werden.

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Beschwichtigend nimmt der Retriever eine demütige Haltung mit gesenktem Kopf und eingezogener Rute ein. (Bild: Shutterstock)

Meideverhalten wird u. U. von Personen ausgelöst, die laut rufend in Verbindung mit wedelnden Armbewegungen auf den Hund zulaufen: Der Hund kann diese Handlung nicht einordnen und wird unsicher. Im Gegensatz dazu animiert schnelles Weglaufen von ihm den Verfolgungstrieb oder die Angst, den geliebten Menschen zu verlieren – Letzteres besonders bei Junghunden.Bei besonders empfindlichen Individuen sollte auf deren Sensibilität eingegangen werden, indem der Ausbilder sich z. B. bei Apportübungen möglichst klein macht, um nicht bedrohlich zu wirken. Dabei sollte er seitwärts neben dem Hund stehen. Besonders bei diesen Hunden ist es wichtig, mit ruhiger und leiser Stimme zu arbeiten und auf keinen Fall – auch nicht bei offensichtlichen Verweigerungen – stimmgewaltig zu werden, sondern mit leichtem Zwang ruhig, aber bestimmt die Übung zu wiederholen. Grundsätzlich ist der Hund dabei angeleint, damit er sich der Korrektur nicht entziehen kann. Dazu neigen besonders sensible Hunde, die Stresssituationen mit Meide- bzw. Fluchtverhalten beantworten.
Kennt der Jäger die Signale der Körpersprache, kann er sie in der Ausbildung hervorragend nutzen – besonders bei Problemfällen, wie Schussscheue, Meideverhalten, Übersensibilität und Vertrauensaufbau.
 

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„Spiel mit mir!“ Der Junghund macht sich vorne klein, schaut aufmerksam zum Führer, die Rute ist fröhlich erhoben. (Bild: Shutterstock)

Stimmungsbarometer
Vermutlich bemerkt ein Hund sofort, ob sich sein Führer in schlechter Stimmungslage befindet, locker und entspannt oder nervös ist. Das erkennt er schon an dessen Körperhaltung oder Stimmlage. Bei der Ausbildung des Jagdhundes ist es deshalb wichtig, dass immer mit ruhiger Handhabung und Stimme gearbeitet wird. Ist der Ausbilder nervös oder sehr angespannt, wird das sofort vom Hund registriert – was keine gute Grundlage für eine Instinktivverknüpfung ist. Wird Erlerntes verweigert, soll das Signal nur etwas schärfer wiederholt und maßvoll körperlich korrigiert werden. Würde der Führer bei der Korrektur sehr hart und laut sein, löste dies Angstverhalten, Verunsicherung und Blockaden beim Vierläufer aus. Auch bei Wölfen wird Unmut bei einem Konflikt nie durch lautes Bellen, sondern mit leichtem Knurren, das sich bis zum Grollen steigern kann, ausgedrückt. Dabei wird der Kontrahent eventuell noch mit erhobener Rute umkreist. Reagiert er nicht auf diese Zeichen, kommt es zu einer Auseinandersetzung. Deshalb kommunizieren auch wir mit ruhiger, leiser Stimme, und bei einer Verweigerung wird die Stimme schärfer. Reagiert der Hund nicht, kommt es zum körperlichen Einsatz, ruhig und bestimmend.
Auch wenn der Vierläufer gelobt wird, sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass er das Lob nicht als Bedrohung empfindet. Bei sensiblen Hunden sollte man deshalb ruhig und mit freundlicher Stimme vorgehen. Das bedeutet, dass der Hundeführer nicht zu überschwänglich, laut, klopfend oder gar über den Hund gebeugt loben sollte. Sonst kann die gedachte Belohnung vom Hund falsch verstanden und als unangenehm empfunden werden.
Besonders bei dem Hörzeichen „Hierher!“ ist häufig zu beobachten, dass Vierläufer sehr unsicher zum Ausbilder kommen oder nicht geradlinig, sondern einen Bogen schlagend auf ihn zulaufen. Häufig hängt das mit einer negativen Körpersprache zusammen: Der Hundehalter steht in Entfernung zum Hund, ruft ein lautes Signal. Dabei steht er aufrecht oder fuchtelt mit erhobenen Armen. Für den Hund eine verunsichernde Körpersprache. Besser wäre es, ihn zu rufen, sich klein zu machen, ihn ruhig zu loben, wenn er kommt, ihn in geringerer Körpergröße zu begrüßen und ihn zu belohnen. Dann darf er sofort wieder frei laufen. So nimmt der Vierläufer die Übung positiv wahr und kommt gerne.

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Kommunikation erlernt der Vierläufer am besten durch intensiven und innigen Kontakt zu seinem Führer. (Bild: Shutterstock)

Zusammenleben ist wichtig
Durch die richtige Körpersprache entsteht besonders zwischen Jagdhunden und ihren Haltern eine enge Sozial­bindung. Dadurch verringern sich Stresssituationen, und es führt zu ­einer vertrauensvollen Zusammenarbeit. Dies kann aber nur sachlich richtig aufgebaut werden, wenn Familie und Hund eng zusammenleben. Ein einzelner Vierläufer, der überwiegend im Zwinger lebt, kann keinen wünschenswerten Wissensstand bzgl. Signalen und gewünschter Aktionen aufbauen, sondern bleibt ein dressierter Vierläufer ohne große Bindung, der erlernte Hörzeichen ausführt. Hunde fühlen sich immer im Rudel wohler und benötigen zu ihrem Halter einen engen ­Sozialkontakt, der die Bindung fördert und die Zusammenarbeit in der Praxis verbessert, da beide Partner einander verstehen und ihre jeweiligen Reaktionen deuten können.

Autor: Theodor Heßling