25.04.2024
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10 Min

Praxis

So ticken Zander: Die Spundwand-Räuber

In Kanälen und manchen Flüssen säumen Spundwände weite Strecken des Ufers und bieten den Zandern gute Einstell-Möglichkeiten. Aber wo soll man anfangen zu suchen? Von Birger Domeyer

So ticken Zander: Die Spundwand-Räuber

Bild: Bastian Gierth

Also praktisch ist diese Spundwand ja schon, immerhin kann man dadurch das ganze Ufer bequem ablaufen. Andererseits: Alles sieht zunächst gleich aus, wo genau soll man hier nur die Zander finden? Vor diesem Problem stehen ja sehr viele Kanal-Angler oder jene, deren Flüsse derart befestigt sind. Deshalb haben wir uns für diese Folge einen kleinen Fluss herausgesucht, an dem beidseitig Spundwände eingezogen sind und den wir nicht besonders gut kennen. Zusammen mit Enrico Di Ventura mache ich mich auf den Weg, die Spundwand-Zander zu suchen.
Bevor wir einen ersten Angelplatz aussuchen, beschaffe ich mir eigentlich immer vorab möglichst viele Informationen über die Stelle. Zunächst sichte ich Tiefenkarten - in diesem Fall Fehlanzeige, denn die gibt es nicht. Beziehungsweise: Die vorhandene Tiefenkarte meiner Boating-App besagt, dass der Fluss überall gleich tief sei und keine Strukturen habe. Das hilft mir also nicht weiter. Google-Maps verrät mir zumindest, wo sich Kurven befinden, Bauwerke wie Brücken, Schleusen oder Einläufe von Gräben, die allesamt eine Strukturunterbrechung darstellen und als Zander-Hotspots in Frage kommen.

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Erster Wurf, erster Fisch: An der Spundwand stand allerdings ein Hecht, kein Zander. Damit muss man immer rechnen. (Bild: Birger Domeyer)

Unser erster Angelplatz ist schließlich eine recht breite Kurve, die hoffentlich an der Außenseite etwas ausgespült ist. In den meisten Flüssen gilt nämlich der Scheitelpunkt einer Außenkurve grundsätzlich als interessant für Zander. Warum also nicht auch hier? Gleich beim ers­ten Wurf des Tages bekomme ich auch sofort einen Biss, der sich zwar als Hecht entpuppt, aber immerhin: Es beißt und irgendwie haben wir auch einen Räuber gefunden. Fehlen nur noch die Zielfische mit den Stacheln und Glasaugen.

Immer erst Jiggen

Zwar gibt es grundsätzlich viele tolle Methoden, um Zander zu fangen. Aber wenn ich mich gar nicht auskenne, bevorzuge ich zunächst das Jiggen mit Gummifischen. Es ist nicht nur effektiv, vor allem dient es gleichzeitig dazu, die Bodenbeschaffenheit zu ertasten. Schnell spürt man, wie tief es ist, ob es Kanten, Muscheln oder was auch immer am Boden gibt.

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Strukturunterbrechungen wie Brücken oder Bootshäuser sind immer einen Versuch wert, wobei sie auch stark befischt werden. Hier hat die Brücke keinen Biss gebracht. (Bild: Birger Domeyer)

In unserem Fall merke ich ganz schnell: Der Fluss ist eher ziemlich flach, vielleicht maximal drei Meter tief. An den Spundwänden sind es zwischen einem und etwa zwei Metern Tiefe. Profiltyp: Badewanne. Nach einigen Würfen und längerer Strecke bestätigt sich, dass die Außenkurven zumindest minimal tiefer sind als die Innenkurven, aber nicht sehr viel mehr. Außerdem treffen wir abschnittsweise auf größere Brassen-Schwärme, die an der Oberfläche buckeln oder auch Schnurschwimmer verursachen. Das ist eigentlich immer gut. Weil man Zander häufig in der Nähe von Brassen findet.
Der nächste beißende Fisch entpuppt sich jedoch auch wieder als ein Hecht. Nach wie vor fehlt uns also der Zugang zu den Zandern. Aber das kann ja noch werden. Ohne Fleiß kein Preis.

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Der beste Zanderspot in dieser Luftaufnahme wäre die Kurve rechts im Hintergrund bei den Häusern. Macht der Fluss einen Knick, wird der Untergrund fest sein. (Bild: Birger Domeyer)

Bodenstruktur ertasten

Zwar fische ich zwischendurch auch mal mit tief laufenden Wobblern dicht an der Spundwand. Aber ich wechsle immer wieder zu Gummi, um die Bodenstruktur zuverlässig ertasten zu können.
Nach einigen weiteren abgefischten Kilometern ergibt sich so langsam ein Bild. Ja, der Fluss verläuft eher strukturarm, aber manche Strecken vor und direkt an der Spundwand beinhalten Steine, Äste und teilweise auch Seerosen. Man bekommt auch mal einen Hänger mit dem Gummi an einer wirklich kleinen Kante. Die fällt vielleicht nur 50 Zentimeter weit ab und liegt etwa zehn Meter vom Ufer entfernt. Das scheint nicht viel zu sein, aber in so einem Badewannen-Profil sind eben auch kleinste Unregelmäßigkeiten am Grund schon äußerst interessant als Zander-Struktur.

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Noch ein Hecht, der etwa 50 Meter vor der Brücke auch dicht an der Spundwand biss. Enrico freut sich, aber so langsam könnte mal ein Zander her. (Bild: Birger Domeyer)

Und nur kurz nachdem ich einen weiteren Hecht gehakt habe, kann Enrico zum Glück genau an so einer kleinen Kante den ersten Zander verhaften. Der Anfang ist gemacht. Fast alle Bisse bekommen wir bisher entweder direkt an der Spundwand oder maximal ein paar Meter von dieser entfernt. Weiter draußen geht gar nichts. Aber das ist typisch für alle Räuber: Lieber stehen sie flach und in der Struktur als auf der planen Fläche und dafür nur unwesentlich tiefer.
Dieser Eindruck bestätigt sich auch in der nächsten Außenkurve, die wir anfahren. Nach einem Hecht auf Wobbler beißt noch ein kleiner Zander. Beide Fische kamen nicht mal einen Meter von der Spundwand entfernt. Die künstliche Struktur des Flusses wird offensichtlich dankend von den Räubern angenommen.

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Enrico erwischt den ersten Zander des Tages. Er stand etwa zehn Meter vom Ufer entfernt an einer ganz kleinen Kante, die nur höchstens 50 Zentimeter abfällt. (Bild: Birger Domeyer)

Vom Sumpf zum Kanal

Ich habe zu dem Fluss noch etwas recherchiert. Denn mir kam es doch etwas merkwürdig vor, dass wir auf so einen stark begradigten Lauf stoßen. Ursprünglich war dieser flache Fluss in ein Sumpfgebiet eingebettet. Die Struktur kann man sich natürlich gut vorstellen: Ultraflach, weiche Böden und absolut nicht mit Schiffen befahrbar. Letzteres hat dann irgendwann den Ausschlag gegeben, diese Spundwände einzuziehen und damit das Flussbett auszuwaschen, das Gewässer befahrbar zu machen. Also im Grunde genommen ist es mehr ein Kanal, wie wir ihn auch hierzulande kennen.

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Zweiter Zander für Enrico, der fast vertikal direkt an der Spundwand biss. So langsam ergibt sich ein Bild für dieses Gewässer. (Bild: Birger Domeyer)

Als letzten Spot für diesen Angeltag haben Enrico und ich uns noch eine Brücke vorgenommen. Aber nach wenigen Würfen folgt die Ernüchterung: Irgendwie ist darunter nichts ausgespült und insgesamt recht flaches Wasser. Also laufe ich im Halbdunkeln noch schnell ein paar Meter weiter in die scharfe Außenkurve. Und siehe da, jeder von uns fängt noch einen Zander und vergibt noch einen weiteren Biss. Und raten Sie mal: Alle Fische beißen direkt an der Spundwand. Mit der Dunkelheit scheinen in diesem flachen Gewässer die Zander deutlich aktiver zu werden, was ja fast zu erwarten war. Man sollte also vermuten, dass hier das nächtliche Wobbeln auf Zander auch sehr gut funktionieren wird. Aber diese Mission verschieben wir auf einen anderen Angeltag.

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Eine schöne Brücke im Hintergrund, die aber kaum Struktur aufweist. Besser sieht es schon etwas stromauf in der Kurve aus, die Birger und Enrico konzentriert abfischen. (Bild: Birger Domeyer)

Gut werfen!

Die fast endlosen Spundwände sind zwar toll für die Begehbarkeit des Flusses oder Kanals, bergen jedoch eine Tücke: Da sie aus Metall sind, sollte man sich verkneifen, laut auf­zutreten. Das Metall überträgt den Schall natürlich sehr gut ins Wasser, und unser Getrampel verscheucht schnell die direkt an der Mauer stehenden Fische. Ganz übel wird es, wenn man einen Tungsten-Jigkopf aus Versehen auf die Metallmauer statt davor wirft. Das grelle und sehr durchdringende Aufprall-Geräusch versaut einem den Angelplatz garantiert für mindestens eine halbe Stunde. Es sind also präzise Würfe gefragt, die zwar möglichst dicht an der Wand, aber eben nicht auf der Mauer landen.

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Mit einem ganz leicht bebleiten No-Action-Shad erwischt Birger diesen schönen Zander, am Abend sind sie deutlich aktiver in dem flachen Fluss. (Bild: Birger Domeyer)

Autor: Birger Domeyer