22.01.2025
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Bundestagswahl 2025

Sirenengesänge

Nachdem die Ampelkoalition vorzeitig gescheitert ist, wird nach einem sehr kurzen Wahlkampf bereits am 23. Februar gewählt. Heiko Hornung blickt auf Themen, die Jäger beschäftigen, und was von den einzelnen Parteien für die Jagd zu erwarten ist.

Sirenengesänge

Bild: shutterstock.com/KI

Kurz bevor die Ampel zerbrach, hat sie den Jägern mit dem eilig zusammengezimmerten Sicherheitspaket ein verschärftes Waffengesetz unter den Christbaum gelegt. Wegen der darin u. a. angeordneten weiteren Überprüfungen des legalen Waffenbesitzers dürfen jetzt viele Waidfrauen und -männer monatelang auf die Jagdscheinverlängerung warten. Trotz massiver Proteste und Interventionen von allen Verbänden im Bundesverband ziviler Legalwaffen haben SPD, Grüne und die FDP diese Verschärfungen beschlossen und damit auch klar gezeigt, was ihnen der Einspruch von Jägern wert ist.

Das wiegt umso schwerer für die Liberalen, die bis dahin einmütig versicherten, und das auch in ihrem neuen Wahlprogramm nach wie vor tun, dass Sportschützen und Jäger nicht unnötig belastet werden und der Fokus im Waffengesetz auf Gefährdern und Extremisten liegen sollte. Viele Waidmänner ­hatten auf die FDP vertraut, die sich in der Vergangenheit, nicht zuletzt wegen ihres jagdscheininhabenden Parteivorsitzenden Christian Lindner, als Jägerpartei präsentierte. Doch von diesem Nimbus ist nicht viel übrig, zumal sich die FDP auch auf Landesebene – in Rheinland-Pfalz sitzt sie mit in einer Ampel-Regierung – nicht eindeutig ­gegen eigentumsfeindliche grüne Jagdgesetzphantasien stemmt.

Was nützt es da, wenn die Liberalen wohlfeil formulieren, dass sie den gelebten Natur- und Artenschutz von Landwirten, Jägern und Fischern anerkennen, wenn es offenbar halt Wichtigeres als lodengrüne Interessen gibt?

Ähnlich verhält es sich mit der SPD. Bundesinnenministerin Nancy Faeser machte in ihrem Kampf gegen rechts keinen Hehl daraus, dass sie in den Reihen der Jäger ein beträchtliches Potenzial an Reichsbürgern und AfD-Anhängern sieht, die sie entwaffnen will (s. WuH 14/2024). Obwohl von Anfang an klar war, dass ihre Vorschläge zur Verschärfung des Waffenrechts keinen ­Gewinn der inneren Sicherheit bringen würden, hat sie trotzdem mehrere­­ Instrumentarien eingebaut, missliebiger Gesinnung nachzugehen und deren WBKs einzuziehen. Das Ergebnis war das eingangs erwähnte verschärfte Waffenrecht, durch das jetzt jeder Jäger von allen Polizeibehörden und dem Verfassungsschutz durchleuchtet wird und künftig ein besonderer Fokus auf Äußerungen eines jeden Waidmanns liegt.
Bei keiner Aktion ihres grünen Koa­litionspartners auf Bundes- und auf ­Landesebene sind die Sozialdemokraten diesen in den Arm gefallen.
 
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir kündigte ohne Einwand der SPD die Staatsmitgliedschaft Deutschlands im Internationalen Jagdrat (CIC). Bundesumweltministerin Steffi Lemke durfte freimütig ihre Abneigung gegen die Auslandsjagd ausleben und ein Trophäenimportverbot bis zu einer diplomatischen ­Krise mit afrikanischen Staaten treiben. In der Wolfsfrage duldete die SPD, dass Lemke ein ums andere Mal das im Koalitionsvertrag der Ampel festgeschriebene regional differenzierte Wolfsmanagement torpedierte.

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Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) machte aus ihrer Ablehnung der Auslandsjagd keinen Hehl. (Bild: Bundesregierung/Kugler)

Auch auf Landesebene, wie in Niedersachsen, lässt Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) seine grüne Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte gewähren, als sie erneut das Jagdgesetz anpackte, das die SPD zusammen mit der CDU in der Legislaturperiode zuvor einmütig verabschiedet hatte. In Mecklenburg-Vorpommern und in Brandenburg konnten nur um ein Haar unsägliche neue Landesjagdgesetze verhindert werden, und das obwohl mit Dietmar Woidke und Till Backhaus 2 renommierte Genossen einen Jagdschein besitzen und es eigentlich besser wissen müssten. Obwohl es in der SPD mit den Waidgenossen einen kleinen Club jagender Abgeordneter gibt, ist jagdlicher Sachverstand dort nicht zu erwarten. Weder hat der Club wesentlichen Einfluss noch lässt die Bundespartei diesen in Form einer kompetenten jagdpolitischen Sprecherin aufblitzen, was nicht zuletzt in den Äußerungen der SPD-Zentrale auf eine Anfrage des DJV zur Europawahl deutlich wurde. In dem Wahlprüfstein formulierte das Willy-Brandt-Haus zunächst freimütig, dass man nicht ­­ daran denke, den Schutzstatus des Wolfes zu lockern, und man lehne auch die Bau- und Fallenjagd komplett ab. 8 Tage dauerte es, bis die Partei teilweise zurückruderte und sich wenigsten auf das zurückzog, was sie im Koalitionsvertrag festgeschrieben hatte (s. WuH 14/2024, Seite 10). Der DJV sprach von Vertrauensverlust. Auch im Wahlprogramm sucht der Jäger Aussagen zu seinem Handwerk vergebens. Die SPD will eine nachhaltige, ökologische Landwirtschaft und möchte regionale Betriebe fördern, alles Weitere ist Sache von Förderprogrammen und bleibt weit hinter dem zurück, was der DJV von der Volkspartei erwarten würde.

Der Dachverband wünscht sich, dass die gesellschaftliche Bedeutung der Jagd und seine Leistungen im Wildtier-Monitoring, der Seuchenbekämpfung und im Artenschutz anerkannt werden. Das Waffengesetz solle endlich praxistauglich entrümpelt und ein Wolfsmanagement eingeführt werden. Man hofft trotz eines immensen Landverbrauchs durch den Ausbau klimaneutraler Energien auf eine wildtierfreundliche Raumplanung und eine ­Agrar- sowie Waldpolitik, die die Interessen von Wildtieren mit berücksichtigen sowie großflächig wieder Lebensräume miteinander vernetzen.

Bis auf das Thema Waffen und Wolf könnten die DJV-Forderungen aus einem grünen Wahlprogramm stammen. (Waffen wollen die Grünen weiter beschränken, den Wolf nur im Notfall als Ausnahme entnehmen.) Doch die Grünen betrachten die Jagd und Jäger, die Teil der Landnutzung sind, nicht als ihre Partner.
Zu stark ist inzwischen der lobbyistische Einfluss von Umweltverbänden, die sich nicht nur in der Partei, sondern auch institutionell in Ministerien, Verwaltungen und Behörden festgesetzt haben und von dort aus die politischen Tagesordnungen in ihrem Sinne diktieren. Dementsprechend liest sich das Wahlprogramm der Grünen wie eine einzige Ankündigung von neuen Unterschutzstellungen, die weitere Aufrüstung von Naturschutzfonds und zusätzliche Standards für eine klimaverträg­liche Holznutzung u. v. m. In nahezu ­allen Ländern, in denen sie in Regierungsverantwortung sind, haben sie in den Jagdgesetzen die Anzahl jagdbarer Arten verringert, Jagdmethoden eingeschränkt oder verboten. Sie wollen die Jagd hin zu einer dienenden Funktion des Staates entwickeln, die sich hauptsächlich auf die Wildschadensminimierung konzentriert, was zumeist nur die Schalenwildreduktion betrifft. Es ist also bei jedweder Regierungsbeteiligung der Grünen, ob im Bund oder den Ländern, mit Ungemach zu rechnen.

Die derzeit noch oppositionelle Union gibt sich traditionell jagdfreundlich. Man will den Wolfsbestand regulieren, der Wald soll nachhaltig durch Forstwirtschaft und Jagd bewirtschaftet und seine Funktionen gesichert werden. Holz und seine energetische Nutzung sind selbstverständlich. Im Naturschutz will die Union im Vertragsnaturschutz Anreize durch Honorierungen setzen. Sie will sicherstellen, dass Legalwaffenbesitzer nicht drangsaliert und kriminalisiert werden. Ein Gegenentwurf also zu den Grünen.

Vor der Gefahr, die nach der Wahl von einer möglichen schwarz-grünen Koalition für die Konservativen ausgehe, hat CSU-Chef Markus Söder gewarnt. Sollte die Union wie so oft Landwirtschaft, Umwelt, Naturschutz einem kleineren Koalitionspartner als Spielwiese überlassen oder sich in den wichtigen Themenfeldern der Migration, der Wirtschaft, der inneren und äußeren Sicherheit von diesen blockieren lassen, wird dies weiter die politischen Ränder stärken, allen voran die AfD.
Deren Parteiprogramm kommt den Forderungen des DJV am nähesten. Auch aus der Opposition heraus umwirbt sie das Waidwerk und macht aus ihrer fundamentalen Ablehnung grüner Positionen keinen Hehl. Kurz schreibt die Partei in ihrem Programm: „Die AfD unterstützt die Rechte der Jäger und lehnt Einschränkungen der Jagd ab.“ Explizit spricht sie sich gegen eine Waffenrechtsverschärfung aus und möchte das Recht des legalen Waffenbesitzes schützen. Sie will die heimische Landwirtschaft stärker fördern und lehnt übermäßige Regulierung ab. Sirenengesänge, die Grünröcke angesichts der vielen Kröten, die sie in den vergangenen Jahren, unter welcher politischen Farbe auch immer, schlucken mussten, in Entzücken versetzen.

Doch angesichts der politischen Lage und der Brandmauer, die CDU und CSU gegen die AfD aufgebaut haben, könnte jede Stimme für die Blauen eine vergebene Stimme sein, denn es ist nicht davon auszugehen, dass die Alternative allein regieren kann.

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Jäger-Demo in Wiesbaden. Wo auch immer es zu einer grünen Regierungsbeteiligung kommt, stehen Kämpfe ums Jagdrecht bevor. (Bild: Markus Lück)

Es wird auf die Stärke der Union ankommen und darauf, mit wem sie möglicherweise koalieren muss, wie künftig Umwelt-, Landwirtschafts-, Jagd- und Innenpolitik gestaltet werden. Gehen die Schwarzen unter Friedrich Merz stark aus dem Rennen, können sie zeigen, ob es ihnen mit ihren Versprechungen an die Jagd ernst ist. Zu oft hat die Union schon auf dem Altar der Verhandlungen gerade die Interessen von Jagd und Jägern verraten. Das hat die grüne Zunft nicht vergessen. Und auch wenn natürlich das Land dringendere Probleme hat als die Jagd, ist diese Teil eines ländlichen Themenkreises, der im Zusammenhang mit Land- und Forstwirtschaft dem bürgerlichen Lager wichtig ist und in den vergangenen Jahren zu oft hintan gestellt wurde. Nicht zuletzt haben die Bauernproteste gezeigt, dass es dieser ländliche Raum satt hat, Projektionsfläche urbaner Landlustideen zu sein, und sich von grünen Minderheiten nicht weiter drangsalieren lassen will. Eine schwarz-grüne Koalition hätte auf jeden Fall das Zeug, in 4 Jahren in österreichischen Verhältnissen zu enden.

Autor: Heiko Hornung