31.08.2023
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15 Min

Praxis

Zehn Thesen zum Deadbaiting

Fängt man in trüben Gewässern wirklich besser mit toten Köderfischen als in klaren? Und beginnt die heiße Zeit für das Ansitzen tatsächlich erst an kalten Tagen? Diese und weitere Mythen bewertet Marco Mowinkel.

Zehn Thesen zum Deadbaiting

Bild: Mowinkel

1. Mit totem Köderfisch fängt man in der kalten Jahreszeit die großen Hechte.

Das würde ich tatsächlich genau so unterschreiben. Damit behaupte ich keineswegs, dass man in der kalten Jahreszeit ausschließlich mit dem toten Köderfisch große Hechte fangen kann. Die Chance, auf diese Weise besonders große Exemplare zu erwischen, ist allerdings besonders hoch. Viel interessanter bei diesem Phänomen ist die Frage, was der Grund dafür ist. Dazu gibt es verschiedene Theorien. Können die großen Exemplare ihren Stoffwechsel vielleicht gar nicht so weit herunterfahren und sind dadurch gezwungen, häufiger Nahrung aufzu­nehmen, obwohl die Wassertemperatur sehr niedrig ist? Oder sind die stärkeren Hechte durch einen sehr geringen Stoff­wechsel gar nicht in der Lage, sich schnell genug zu bewegen, um aktiv Beute zu jagen? Oder sind die ganz Dicken schlichtweg faul?
Ich persönlich glaube, dass es ein Mix aus den diversen Theorien ist. Der Lern­effekt spielt dabei eine besonders große Rolle. Nehmen wir an, es gibt in einem Gewässer große Vorkommen an Weißfischen. Bei einem solchen Überangebot an Beute, die sich gerade in den Wintermonaten oft zu Schwärmen zusammenfindet, wird es immer Exemplare geben, die aus verschiedensten Gründen sterben und zum Grund sinken. Hechte sind, wie fast alle Fische, wechselwarme Tiere. Das bedeutet, ihre Körpertemperatur entspricht der Umgebungstemperatur. Bei knapp über Null Grad kann man sich gut vorstellen, dass schnelle Muskelbewegungen für die Jagd nicht leichtfallen. Und genau dabei tritt meines Erachtens nach der Lerneffekt bei unseren Hechten ein. Wieso aktiv auf die Jagd gehen und Energie verschwenden, wenn es die Möglichkeit gibt, gleichwertige Nahrung einfach einzusammeln? Natürlich können alle unsere Raubfische auch bei extremer Kälte noch aktiv auf die Jagd gehen, wenn es nötig ist. Die erfahrenen und vielleicht besonders alten und großen ­Exemplare vermeiden dies gelegentlich, wenn sich die Möglichkeit dazu ergibt.
Ein netter Nebeneffekt für uns Angler ist dabei, dass die Hechte im Winter meist ihr Höchstgewicht erreichen. Ein weiterer Beweis dafür, dass sie gerne unnötige Bewegung in dieser Jahreszeit vermeiden.

2. Kunstköder bringen stückzahlmäßig mehr als Naturköder.

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Besonders flexibel bei Platzwahl ist man natürlich, wenn man ein Boot zur Verfügung hat. Außerdem kann man auch während eines Angeltages schnell mal den Platz wechseln. So halten Ansitzer stückzahlmäßig locker mit den Fängen der Spinnfischer mit. (Bild: Mowinkel)

Diese These möchte ich gerne etwas differenzieren. Besonders die Jahreszeit, aber auch die Eigenheiten des jeweiligen Gewässers, spielen dabei eine erhebliche Rolle. Gerade in den wärmeren Monaten des Jahres oder zur Laichzeit denke ich, dass ein aktiv geführter Kunstköder die bessere Wahl ist, weil er die zu dieser Zeit besonders relevanten Instinkte der Hechte anspricht. Hechte sind jetzt aktiv auf Beutesuche und reagieren daher meist sehr gut auf Lichtreflexionen, Bewegungen und Druckwellen unter Wasser. In der kalten Jahreszeit kann auch mal der tote Köderfisch die Nase vorn haben. Wenn das vorhandene Nahrungs­angebot es zulässt, versucht ein Fisch instinktiv, Energie zu sparen. Auch bei der Nahrungsaufnahme. Nicht ganz vergessen möchte ich bei diesem Mythos das Thema Angeldruck. Gerade bei unseren Nachbarn in den Niederlanden werden Hechte regelmäßig gefangen und wieder zurück in ihr Element entlassen. An stark beangelten Gewässern lernen die Fische sehr schnell aus schlechten Erfahrungen und fallen dadurch deutlich seltener auf Kunstköder herein. Bei einem toten Köfi, präsentiert an einer feinen Montage, ist mir dieses Phänomen noch nicht aufgefallen. Ein echter Köderfisch ist und bleibt eben ein echter Köderfisch. Es ist mir sogar schon mehrfach passiert, dass ich ein und denselben Hecht innerhalb weniger Stunden auf dieselbe Köderfischart zweimal gefangen habe.

3. Je trüber das Gewässer, desto effektiver der tote Köderfisch.

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Auch dieser Hecht biss - neben vielen anderen Exemplaren - im sehr klaren Wasser eines niederländischen Großgewässers. (Bild: Mowinkel)

Gehört habe ich von dieser Theorie schon. Abgeleitet aus meinen bisherigen Erfahrungen, kann ich aber nicht behaupten, diese These mit Beispielen aus der Praxis stützen zu können. Sowohl Kunstköder als auch tote Köderfische funktionieren in klaren wie auch trüben Gewässern. Natürlich wird die Sinneswahrnehmung des Sehens bei trübem Wasser teilweise stark eingeschränkt. Unsere Hechte verlassen sich aber auf eine Vielzahl von Sinnesreizen bei ihrer Nahrungsaufnahme. Ich selbst habe schon Hechte mit nur einem Auge gefangen - und das auf einen Kunstköder.

4. Anfüttern erhöht die Erfolgsaussichten.

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Hier wurden die Köderfische passend zurechtgeschnitten. Ob zum Beispiel mit dem Kopfstück angefüttert wird, hängt vom Appetit der Räuber ab. (Bild: Mowinkel)

Anfüttern kann uns beim Angeln einen großen Vorteil verschaffen. Sowohl Tage im Voraus als auch beim Angeln selbst kann es die Fangaussichten verbessern. Die Hechte können durch verschiedene Futtertaktiken an bestimmte Plätze und die Köder gewöhnt werden. Durch regelmäßiges Einbringen von Futter verlieren die Hechte auch ihre Scheu, und es werden häufig mehrere Exemplare gleichzeitig angelockt. Doch es ist auch Vorsicht geboten! Wir können uns durch das Einbringen von zusätzlichem Futter auch selbst ein Bein stellen. Wenn ich unsicher bin, ob und wie viele Fische am Platz oder ob die Räuber gerade überhaupt in Fresslaune sind, verzichte ich beim Angeln selbst lieber auf das Einbringen von zusätzlichen Kostproben. Zu hoch ist für mich das Risiko, mir den womöglich einzigen Biss zu verspielen, weil der vorbeischwimmende Hecht sich für Futterstücke ohne Haken entscheidet. Wenn ich jedoch mehrere Kontake an einer Stelle bekomme, kann man durchaus auch einige zusätzliche Gaben einbringen, um die Räuber länger am Platz zu halten und dafür zu sorgen, dass alle Exemplare etwas Fressbares finden. Häufiger gilt aber der Grundsatz: Weniger ist mehr. Man sollte sich eher auf die Wahl des richtigen Angelplatzes konzentrieren.

5. Salzwasserfische wie Makrele und Hering fangen nur an be­stimmten Gewässern.

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Egal, ob nun Süß- oder Salwasserköderfisch - wichtiger ist eine gute Präsentation. Hier kommt die favorisierte Grundmontage zum Einsatz. ­Interessantes Detail: Marco und seinem Kollegen genügt ein einziger Drilling. (Bild: Mowinkel)

Ich tue mich immer sehr schwer mit ­Pauschalaussagen wie dieser. Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass unterschiedliche Köderfischarten nicht an jedem Gewässer gleich gut von unseren Hechten angenommen werden. Dabei sollte man aber zwischen Schwarz und Weiß auch einige Abstufungen zulassen. Ich glaube nicht, dass es Gewässer gibt, an denen man mit einer Makrele chancenlos ist. Es mag aber sein, dass es Reviere gibt, in denen die Hechte nicht so gut auf diese Köderfischart reagieren als an anderen. Eine nachvollziehbare Erklärung dafür habe ich nicht parat.
Ich möchte an dieser Stelle gerne den Punkt anführen, dass auch Hechte individuelle Verhaltensweisen an den Tag legen. Esox ist nicht gleich Esox. Bei ­ den meisten Karpfenanglern ist das fest im Bewusstsein verankert. Die Raubfischfans verlieren diesen Aspekt gerne mal aus den Augen. Des Weiteren können auch die Jahreszeit und Gewässertemperatur Einfluss auf die Effektivität unserer Köder nehmen. In einem Gewässer, das ich seit vielen Jahren beangle, zeigt sich jährlich das gleiche Ergebnis. Während ich im Herbst noch ein Bissverhältnis von 50/50 zwischen Makrelen und Rotaugen verzeichne, verändert sich dieses Verhältnis bei sinkenden Wassertemperaturen im Jahresverlauf auf bis zu 90/10 zugunsten der Makrelen. Möglicherweise finden die Hechte eine Makrele in sehr kaltem Wasser einfach schneller als ein Rotauge.

6. Im Sommer ist hechtmäßig mit Köfi wenig zu holen.

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Im Hintergrund sieht man noch gut das Laub an den Bäumen. Und im Herbst sind die Farben der Fische oft besonders kräftig ausgeprägt. Ob das Deadbaiting auf Hecht auch in der warmen Jahreszeit gut zieht, muss man für das jeweilige Gewässer selbst herausfinden. (Bild: Mowinkel)

Mir ist bekannt, dass das Ansitzen mit Köderfisch im Sommer durchaus funktionieren kann. Da ich persönlich aber diese Angelei in den Sommermonaten überhaupt nicht praktiziere, wäre es nicht richtig, eine prozentuale Einschätzung zu diesem Mythos abzugeben. Für mich persönlich beginnt die interessante Zeit für diese Art des Hechtfangs im fort­geschrittenen Herbst und endet im Februar. Das liegt aber in der persönlichen Planung meines anglerischen Jahres begründet. Die restliche Zeit des Jahres nutze ich für andere Zielfischarten. Was die Räuber angeht, bin ich dabei dann ausschließlich mit Kunstködern am und auf dem Wasser unterwegs.

7. Je kälter das Wasser, desto effektiver ist der tote Köfi.

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Hechtfutter auf dem Echolot, hier größere Weißfische. Besonders im Winter halten sich die Räuber in unmittelbarer Nähe der Beute auf. Und zur kalten Jahreszeit sammeln sich die Futterfische. (Bild: Mowinkel)

Wie schon angedeutet, nutze ich nur den Herbst und Winter für das sogenannte Deadbaiten. Daher beziehen sich meine Erfahrungen logischerweise auch nur auf diese Jahreszeiten. In den von mir beangelten Gewässern stimmt dieser Mythos dahingehend absolut. Je weiter die Temperaturen sinken, desto effektiver wird der tote Köderfisch. Immer vorausgesetzt, er wird auch an den richtigen Stellen angeboten. Ich meine damit keineswegs, dass die Fangzahlen bei sinkenden Temperaturen steil nach oben gehen, sondern vielmehr, dass der tote Köfi im Vergleich zu anderen Ködern zunehmend die Nase vorn hat, wenn die Temperaturen fallen.

8. Freilaufrollen sorgen verstärkt für Fehlbisse.

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Im Zweifel ist eine Rolle ohne Freilauffunktion die erste Wahl. Dabei sollte die Schnur unter ein am Rutenblank gestrafftes Gummiband gelegt werden. Die simple Methode funktioniert sogar bei sehr kalten Temperaturen zuverlässig. (Bild: Mowinkel)

Ich für meinen Teil öffne lieber den Rollenbügel und klemme die Schnur unter ein am Rutengriff montiertes Gummiband. Wenn ein Hecht nun den Köder aufnimmt und losschwimmt, zieht er die Schnurschlaufe unter dem Gummiband heraus und kann anschließend frei abziehen. Ohne jeglichen Widerstand durch eine Bremse oder eine Freilauffunktion. Freunde von mir benutzen Baitrunner und fangen ebenfalls ­regelmäßig ihre Hechte. Es wäre also falsch, zu behaupten, dass Freilaufrollen gar nicht funktionieren bei dieser Angelei. Ich selbst sehe allerdings keine Vorteile in dieser Technik. Gerade in den sehr kalten Monaten, wenn die Hechte noch lethargischer umherschwimmen und die Köder aufnehmen, habe ich mit meiner simplen, sensiblen Gummiband-Technik einfach ein besseres Gefühl. Kleiner Tipp: O-Ring-Dichtungen aus dem Baumarkt eignen sich hervorragend für diese Technik.

9. Bei der Profi-Liga Hecht hätte ein Naturköderangler keine Chance gegen die Spinnfischer.

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Dieser kapitale Hecht von über 30 Pfund wurde im Januar beim Deadbaiting gefangen. Ob das Marco auch ohne Boot bei der Profi-Liga gelingt? Abwarten! (Bild: Mowinkel)

Die wichtigsten Regeln bei der Profi- Liga Hecht dürften den meisten Lesern bekannt sein. Als Teilnehmer hat man drei Angeltage Zeit, um vom Ufer aus möglichst große Hechte zu fangen. Die fünf längsten Fische gehen am Ende in die Wertung ein. Die Wettkampftage liegen üblicherweise im letzten Quartal des Jahres, also im Herbst und Winter. Die Rahmenbedingungen passen also hervorragend. Ich persönlich glaube, dass ein Deadbaiter bei der Profi-Liga Hecht sehr gute Chancen hätte.

10. An viel beangelten Gewässern sind Naturköder fängiger als Kunstköder.

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Auch an diesem großen Stillwasser herrscht viel Angeldruck. Den sollte man allerdings nicht überbewerten - gefangen wird trotzdem hervorragend, wenn die Bedingungen passen (Bild: Mowinkel)

Zuvor habe ich dieses Thema bereits kurz angeschnitten. Ich bin mir ganz ­sicher, dass der Angeldruck an einem jeweiligen Gewässer eine bedeutende Rolle spielt. Die Wissenschaft hat in verschiedensten Studien bewiesen, dass Fische lernfähig sind. Ganz besonders spürbar ist das an Gewässern, in denen der Fang häufig zurückgesetzt wird. Ist ja auch irgendwie logisch. Hinzu kommt bei Fischen die Fähigkeit des sozialen Lernens. Dabei gehe ich nicht davon aus, dass Fische miteinander kommunizieren, wie wir Menschen das tun. Aber ein Hecht, der sieht, wie ein Artgenosse auf einen Kunstköder beißt und anschließend unnatürlich aus seinem Element gezogen wird, zieht daraus seine Schlüsse. Er meidet möglicherweise ähnliche Situationen in der Zukunft. So viel zur Theorie. Trotzdem würde ich nicht ­so weit gehen und pauschalisieren, dass Naturköder besser als Kunstköder an stark beangelten Gewässern fangen. ­Dafür gibt es einfach zu viele andere Einflüsse, die eine wichtige Rolle bei der Auswahl des passenden Angelköders spielen. Die Jahreszeit, die Umgebungstemperatur, die Lichtverhältnisse und das Beutevorkommen sind nur einige Aspekte, die meiner Meinung nach genauso relevant sind. Es macht aber immer Sinn, sich anglerisch vom Großteil der anderen Angler zu unterscheiden. Dabei rede ich nicht von einem Farbwechsel beim Gummifisch. Besser ist es, vollkommen andere Köderarten auszuprobieren oder an ganz anderen Stellen die Fische zu beangeln. Das nächtliche Spinnfischen mit Kunstködern ist ja schon länger kein Geheimnis mehr, um den negativen Auswirkungen eines sehr hohen Angeldrucks aus dem Wege zu gehen.

Autor: Marco Mowinkeln/Dominik Heinrich