Praxis
Zehn Thesen zum Deadbaiting
Fängt man in trüben Gewässern wirklich besser mit toten Köderfischen als in klaren? Und beginnt die heiße Zeit für das Ansitzen tatsächlich erst an kalten Tagen? Diese und weitere Mythen bewertet Marco Mowinkel.
Bild: Mowinkel
1. Mit totem Köderfisch fängt man in der kalten Jahreszeit die großen Hechte.
Ich persönlich glaube, dass es ein Mix aus den diversen Theorien ist. Der Lerneffekt spielt dabei eine besonders große Rolle. Nehmen wir an, es gibt in einem Gewässer große Vorkommen an Weißfischen. Bei einem solchen Überangebot an Beute, die sich gerade in den Wintermonaten oft zu Schwärmen zusammenfindet, wird es immer Exemplare geben, die aus verschiedensten Gründen sterben und zum Grund sinken. Hechte sind, wie fast alle Fische, wechselwarme Tiere. Das bedeutet, ihre Körpertemperatur entspricht der Umgebungstemperatur. Bei knapp über Null Grad kann man sich gut vorstellen, dass schnelle Muskelbewegungen für die Jagd nicht leichtfallen. Und genau dabei tritt meines Erachtens nach der Lerneffekt bei unseren Hechten ein. Wieso aktiv auf die Jagd gehen und Energie verschwenden, wenn es die Möglichkeit gibt, gleichwertige Nahrung einfach einzusammeln? Natürlich können alle unsere Raubfische auch bei extremer Kälte noch aktiv auf die Jagd gehen, wenn es nötig ist. Die erfahrenen und vielleicht besonders alten und großen Exemplare vermeiden dies gelegentlich, wenn sich die Möglichkeit dazu ergibt.
Ein netter Nebeneffekt für uns Angler ist dabei, dass die Hechte im Winter meist ihr Höchstgewicht erreichen. Ein weiterer Beweis dafür, dass sie gerne unnötige Bewegung in dieser Jahreszeit vermeiden.
2. Kunstköder bringen stückzahlmäßig mehr als Naturköder.
Besonders flexibel bei Platzwahl ist man natürlich, wenn man ein Boot zur Verfügung hat. Außerdem kann man auch während eines Angeltages schnell mal den Platz wechseln. So halten Ansitzer stückzahlmäßig locker mit den Fängen der Spinnfischer mit. (Bild: Mowinkel)
3. Je trüber das Gewässer, desto effektiver der tote Köderfisch.
Auch dieser Hecht biss - neben vielen anderen Exemplaren - im sehr klaren Wasser eines niederländischen Großgewässers. (Bild: Mowinkel)
4. Anfüttern erhöht die Erfolgsaussichten.
Hier wurden die Köderfische passend zurechtgeschnitten. Ob zum Beispiel mit dem Kopfstück angefüttert wird, hängt vom Appetit der Räuber ab. (Bild: Mowinkel)
5. Salzwasserfische wie Makrele und Hering fangen nur an bestimmten Gewässern.
Egal, ob nun Süß- oder Salwasserköderfisch - wichtiger ist eine gute Präsentation. Hier kommt die favorisierte Grundmontage zum Einsatz. Interessantes Detail: Marco und seinem Kollegen genügt ein einziger Drilling. (Bild: Mowinkel)
Ich tue mich immer sehr schwer mit Pauschalaussagen wie dieser. Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass unterschiedliche Köderfischarten nicht an jedem Gewässer gleich gut von unseren Hechten angenommen werden. Dabei sollte man aber zwischen Schwarz und Weiß auch einige Abstufungen zulassen. Ich glaube nicht, dass es Gewässer gibt, an denen man mit einer Makrele chancenlos ist. Es mag aber sein, dass es Reviere gibt, in denen die Hechte nicht so gut auf diese Köderfischart reagieren als an anderen. Eine nachvollziehbare Erklärung dafür habe ich nicht parat.Ich möchte an dieser Stelle gerne den Punkt anführen, dass auch Hechte individuelle Verhaltensweisen an den Tag legen. Esox ist nicht gleich Esox. Bei den meisten Karpfenanglern ist das fest im Bewusstsein verankert. Die Raubfischfans verlieren diesen Aspekt gerne mal aus den Augen. Des Weiteren können auch die Jahreszeit und Gewässertemperatur Einfluss auf die Effektivität unserer Köder nehmen. In einem Gewässer, das ich seit vielen Jahren beangle, zeigt sich jährlich das gleiche Ergebnis. Während ich im Herbst noch ein Bissverhältnis von 50/50 zwischen Makrelen und Rotaugen verzeichne, verändert sich dieses Verhältnis bei sinkenden Wassertemperaturen im Jahresverlauf auf bis zu 90/10 zugunsten der Makrelen. Möglicherweise finden die Hechte eine Makrele in sehr kaltem Wasser einfach schneller als ein Rotauge.
6. Im Sommer ist hechtmäßig mit Köfi wenig zu holen.
Im Hintergrund sieht man noch gut das Laub an den Bäumen. Und im Herbst sind die Farben der Fische oft besonders kräftig ausgeprägt. Ob das Deadbaiting auf Hecht auch in der warmen Jahreszeit gut zieht, muss man für das jeweilige Gewässer selbst herausfinden. (Bild: Mowinkel)
7. Je kälter das Wasser, desto effektiver ist der tote Köfi.
Hechtfutter auf dem Echolot, hier größere Weißfische. Besonders im Winter halten sich die Räuber in unmittelbarer Nähe der Beute auf. Und zur kalten Jahreszeit sammeln sich die Futterfische. (Bild: Mowinkel)
Wie schon angedeutet, nutze ich nur den Herbst und Winter für das sogenannte Deadbaiten. Daher beziehen sich meine Erfahrungen logischerweise auch nur auf diese Jahreszeiten. In den von mir beangelten Gewässern stimmt dieser Mythos dahingehend absolut. Je weiter die Temperaturen sinken, desto effektiver wird der tote Köderfisch. Immer vorausgesetzt, er wird auch an den richtigen Stellen angeboten. Ich meine damit keineswegs, dass die Fangzahlen bei sinkenden Temperaturen steil nach oben gehen, sondern vielmehr, dass der tote Köfi im Vergleich zu anderen Ködern zunehmend die Nase vorn hat, wenn die Temperaturen fallen.8. Freilaufrollen sorgen verstärkt für Fehlbisse.
Im Zweifel ist eine Rolle ohne Freilauffunktion die erste Wahl. Dabei sollte die Schnur unter ein am Rutenblank gestrafftes Gummiband gelegt werden. Die simple Methode funktioniert sogar bei sehr kalten Temperaturen zuverlässig. (Bild: Mowinkel)
9. Bei der Profi-Liga Hecht hätte ein Naturköderangler keine Chance gegen die Spinnfischer.
Dieser kapitale Hecht von über 30 Pfund wurde im Januar beim Deadbaiting gefangen. Ob das Marco auch ohne Boot bei der Profi-Liga gelingt? Abwarten! (Bild: Mowinkel)
10. An viel beangelten Gewässern sind Naturköder fängiger als Kunstköder.
Auch an diesem großen Stillwasser herrscht viel Angeldruck. Den sollte man allerdings nicht überbewerten - gefangen wird trotzdem hervorragend, wenn die Bedingungen passen (Bild: Mowinkel)
Zuvor habe ich dieses Thema bereits kurz angeschnitten. Ich bin mir ganz sicher, dass der Angeldruck an einem jeweiligen Gewässer eine bedeutende Rolle spielt. Die Wissenschaft hat in verschiedensten Studien bewiesen, dass Fische lernfähig sind. Ganz besonders spürbar ist das an Gewässern, in denen der Fang häufig zurückgesetzt wird. Ist ja auch irgendwie logisch. Hinzu kommt bei Fischen die Fähigkeit des sozialen Lernens. Dabei gehe ich nicht davon aus, dass Fische miteinander kommunizieren, wie wir Menschen das tun. Aber ein Hecht, der sieht, wie ein Artgenosse auf einen Kunstköder beißt und anschließend unnatürlich aus seinem Element gezogen wird, zieht daraus seine Schlüsse. Er meidet möglicherweise ähnliche Situationen in der Zukunft. So viel zur Theorie. Trotzdem würde ich nicht so weit gehen und pauschalisieren, dass Naturköder besser als Kunstköder an stark beangelten Gewässern fangen. Dafür gibt es einfach zu viele andere Einflüsse, die eine wichtige Rolle bei der Auswahl des passenden Angelköders spielen. Die Jahreszeit, die Umgebungstemperatur, die Lichtverhältnisse und das Beutevorkommen sind nur einige Aspekte, die meiner Meinung nach genauso relevant sind. Es macht aber immer Sinn, sich anglerisch vom Großteil der anderen Angler zu unterscheiden. Dabei rede ich nicht von einem Farbwechsel beim Gummifisch. Besser ist es, vollkommen andere Köderarten auszuprobieren oder an ganz anderen Stellen die Fische zu beangeln. Das nächtliche Spinnfischen mit Kunstködern ist ja schon länger kein Geheimnis mehr, um den negativen Auswirkungen eines sehr hohen Angeldrucks aus dem Wege zu gehen.Autor: Marco Mowinkeln/Dominik Heinrich