27.05.2020
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DJZ
Ausgabe 06/2020
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8 Min

Afrikanische Schweinepest im Revier

Wenn die ASP zuschlägt

Uns Jäger bedroht eine weitere Seuche: Die Afrikanische Schweinepest steht direkt vor der Tür. Experten sind sich einig: Bald haben auch wir die ASP. Was das für Weidwerk und Revier bedeutet, hat der DJZ-Rechtsexperte zusammengefasst.

Wenn die ASP zuschlägt

Bild: Sebastian Grell

Was ich an „Kaiser“ Franz Beckenbauer besonders mag, ist seine „Schaun mer mal, dann sehn mer schon“-Mentalität. Immer erst mal abwarten, ob der Ärger wirklich kommt. Allerdings scheint eines sicher: Sie kommt garantiert. Die ASP! Die Frage ist nur: Wann? Anlass genug also, sich mit der Frage zu befassen, was auf uns Jäger im Falle des ersten ASP-Fundes in Deutschland zukommen wird. Das ist einiges, wie Sie im folgenden lesen werden.

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Jagdautos müssen im ASP-Ernstfall desinfiziert werden (Bild: Rafael Lapinski)

Landkreise gesperrt!

Ganz so unvorbereitet wie auf Corora sind die deutschen Behörden glücklicherweise nicht. Orientiert an den Erfahrungswerten, die in der Tschechischen Republik gewonnen wurden, haben sich die Bundesländer für den Fall der Fälle schon „die Karten gelegt“. Rund um den Ausbruchsort der ASP werden drei verschiedene Zonen ausgewiesen, in denen unterschiedliche Maßnahmen umgesetzt werden. Die Abschuss- oder Fundstelle des toten Schweinchens wird weiträumig vom sogenannten „gefährdeten Gebiet“ umschlossen. Abhängig von Bestandsgröße, der Mobilität innerhalb des Bestandes (Wechsel) und Überwachungsoptionen, wird die Größe dieser Zone bestimmt. Faustregel: so groß wie nötig, so klein wie möglich. Lässt sich anhand von Fährtenbildern und natürlichen (große Wasserstraßen) oder künstliche Hindernissen (gezäunte Autobahnen etc.) ein Auswechseln potenziell infizierter Borstenviecher ausschließen, kann der „ground zero“ klein gehalten werden.
Wird der Leichenfund hingegen in unübersichtlichem „Unland“ gemacht, etwa einem größeren Naturschutzgebiet ohne zur Absperrung geeigneter Wege, muss nötigenfalls der ganze Landkreis gesperrt werden. Das kann zu massiven Auflagen führen. Diese sind: die Beschränkung oder das Verbot der Nutzung von landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Flächen, das Anlegen von Bejagungsschneisen in landwirtschaftliche Nutzflächen oder die Anordnung der verstärkten Bejagung des Schwarzwildes.

Quarantäne-Knast

Innerhalb des gefährdeten Gebietes kann die zuständige Behörde (zumeist Kreisveterinäramt) ein „Kerngebiet“ von bis zu 40 Quadratkilometern einrichten und innerhalb desselben noch weitergehende Maßnahmen bestimmen, die über die des „gefährdeten Gebietes“ hinausgehen.
Und die haben es in sich: Betretungsverbot für die Bevölkerung für vier Wochen, Verbot oder Beschränkung des Fahrzeugverkehrs in das und aus dem Kerngebiet, Absperrung (von Teilen) des Kerngebietes, zeitweises Jagdverbot.
Nur Jäger, die an ASP-Schulungen teilgenommen haben, dürfen das Gebiet betreten. Ernteverbote, um Schwarzwild in der Zone zu binden, komplettes Kirrverbot. Der Sauen-Quarantäne-Knast wird mittels elektrischen Zauns und Vergrämungsmitteln geschaffen. Geht nicht, denken Sie? Vergessen Sie es. Erlaubt ist, was (der Behörde) gefällt.

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(Bild: )

Weidgerechtigkeit ade

Drumherum ist’s ein wenig komfortabler. Die sogenannte „Pufferzone“ von bis zu 15.000 Quadratkilometern umschließt das „gefährdete Gebiet“ in einem individuell bestimmten Radius, um den Fundort des erkrankten Schwarzkittels. Auch innerhalb der Puffer-zone kann verstärkte Bejagung des Schwarzwildes angeordnet werden. In allen Zonen gilt: Leisten die Jagsausübungsberechtigten der Anordnung nicht Folge, hagelt es Zwangsgelder. Dann droht Ersatzvornahme. Heißt: Von der Behörde beauftragte Berufsjäger, Forstbeamte oder gar Polizisten gehen zu Werke. Ich formuliere bewusst „zu Werke“. Denn es geht hier nicht um Jagd, sondern um Seuchenbekämpfung. Die Behörde hat die „erforderlichen Maßnahmen“ zu ergreifen.
Jagdliche Ethik hat in diesem Zusammenhang hinten anzustehen: Jagd- und Schonzeiten, Elterntierschutz, Mindestkalibergröße, Verbot künstlicher Lichtquellen und andere „goldene Kälber“. Wenn tradierte jagdliche Methoden nicht ausreichen, fegt der Amtsveterinär auf demVerordnungswege die Weidgerechtigkeit vom Tisch. Wenn es der Sache dienlich ist, rückt schlimmstenfalls die Polizei mit Maschinenpistole und Nachtzieltechnik aus. Wer noch selber dem Weidwerk nachgeht, hat sich gewissen Restriktionen zu unterwerfen. Alle Personen, die mit Schwarzkitteln in Berührung gekommen sind, müssen Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen nach näherer Anweisung der zuständigen Behörde durchführen. Hunde und Gegenstände, die bei der Jagd verwendet werden, sind – soweit sie mit Wildschweinen oder Teilen von Schwarzkitteln in Berührung gekommen sind – durch ihren Halter oder Jagdausübungsberechtigten zu reinigen und zu desinfizieren.
Sauen und deren Erzeugnisse aus einem gefährdeten Gebiet oder einer Pufferzone dürfen die Zonen nicht verlassen (Genehmigung nach Beprobung möglich). Und bei Verstößen dagegen? Dafür ist ein saftiges Bußgeld vorgesehen.

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und dann ausgenommen, das Herz als besonderer Gaumenschmaus separiert (u.) – schwer gezeichnete Stücke sind bei dieser Jagdart selten. (Bild: Richard Günzel)

Wildschadensersatz

Das klingt alles nicht lustig und wirft die Frage auf, ob man als Betroffener die Jagd nicht gleich bleiben lässt oder zumindest einige unangenehme Pflichten loswird. Nun – zumindest darüber lässt sich reden. Wer ein Jagdrevier pachtet, pachtet nicht den Grund und Boden, sondern nur das Recht, dort die Jagd auszuüben. Die behördliche Anordnung eines Bejagungsverbotes betrifft unmittelbar dieses Recht. Der Verpächter kann seine Pflicht, das heißt das zur-Verfügung-Stellen seines Rechtes nicht erfüllen. Damit verliert er auch den Anspruch auf die Gegenleistung. Für die Dauer des behördlichen Jagdverbotes ist keine Pacht zu entrichten. Und der Wildschaden? Auch wenn es den Sauen sogar verstärkt an den Kragen geht, feiern Reh, Hirsch, Hase, Karnickel und Fasan die unerwartete Waffenruhe beim Festmahl. Doch auch hier gilt – Durchatmen.
Der Anspruch auf Wildschadensersatz ist ein Ersatz dafür, dass der Landeigentümer, der sein Jagdrecht an den Pächter abgetreten hat, den Wildschaden nicht mehr selber mit geeigneten Bejagungsmaßnahmen verhindern kann. Hätte er die Jagd nicht verpachtet, ereilte ihn nun das Verbot aber genauso wie den Pächter. Der Wildschaden träfe also gleichfalls ein. Die Grundlage für den Schadersatz ist damit entfallen, und der geschädigte Landbewirtschafter guckt in die Röhre.

Wenn’s vorbei ist!

Und was ist, wenn der Spuk vorbei ist? Sofern die Seuche und ihre Bekämpfer alles um die Ecke gebracht haben, was eine Steckdosennase hat, werden einige Reviere stark an jagdlicher Attraktivität eingebüßt haben. Ob dies zu einer Verringerung der Pachtpreiszahlungen führen kann, wird Einzelfallfrage sein. Das Vorhandensein des herumvagabundierenden Schwarzwildes bleibt zumindest bei der Frage der wertbestimmenden Beschaffenheitsfrage als „Hochwildrevier“ sowieso regelmäßig unberücksichtigt. Da regionale Bestandsschwankungen bei Sauen abhängig von Winterwitterung und Bejagungsdruck ohnedies die Regel sind und die Reproduktionsrate der Schwarzkittel beachtlich ist, erscheint fraglich, ob die Gerichte eine bleibende Pachtwertminderung annehmen werden. Doch wie würde der „Kaiser“ sagen: „Schaun mer mal, dann sehn mer schon.“
 
Seit 2018 bietet die DEUTSCHE JAGDZEITUNG Abonnenten eine kostenlose Erstberatung in jagdrechtlichen Fragestellungen an. Seitdem erreichten die Redaktion (djz-rechts-beratung@paulparey.de) rund 400 Anfragen. Beispielhaft geben wir pro Ausgabe je einen „Leserfall“ sinngemäß wieder:
Ein Jagdgenosse – selbst Jäger – hat ein Grundstück, das rund 50 Meter neben einem Hochsitz von mir liegt. Er hängt dort CDs und Blechbüchsen auf, um Wild fernzuhalten. Was raten Sie mir, soll ich tun?
Unsere Antwort:
Was Ihren Nachbarn anbelangt, ist die Rechtslage vergleichsweise einfach. Sofern es sich um ein Gartengrundstück handelt, also um einen befriedeten Bezirk, so wird man diese Maßnahme wohl als dessen persönlichen Geschmack von „individueller Gartendekoration“ durchgehen lassen müssen. Wenn es sich nicht um ein Gartengrundstück handelt, sondern schlichtweg Grundstück im Wald oder Unland, so liegt eine Mischung aus einem Verstoß gegen abfallrechtliche Vorschriften und Jagdstörung vor. In diesem Falle würde ich – wenn ein Gespräch von Jäger zu Jäger nicht fruchtet – einfach einmal beim Umweltamt anklopfen oder den Herrn unmittelbar auf Unterlassung der Jagdstörung in Anspruch nehmen.

Autor: Dr. Heiko Granzin