25.10.2023
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DJZ
Ausgabe 09/2023
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10 Min

Zwei auf einen Streich

So geht Doublette!

Doubletten aus Alttier/Kalb oder Ricke/Kitz gelten häufig als Maxime. Doch jagdpraktisch sind sie gar nicht so einfach umsetzbar. Es gibt jedoch Tipps, wie sie gelingen können.

So geht Doublette!

Bild: Rafal Lapinski

September in Mecklenburg-Vorpommern. Ich sitze an einem Wildacker unweit des Großen Kulowsees, der nachts hunderte, wenn nicht tausende Kraniche beherbergt. Morgens ist es ein Spektakel, die zeitgleich rufenden sowie abstreichenden Zug­vögel zu hören. Sehen tut man sie dabei selten, wenn man inmitten des Waldes unter einem Kronendach ansitzt. Doch die Geräuschkulisse wenige hundert Meter neben den beeindruckenden Vögeln ist atem­beraubend!

Ich sitze primär auf Damwild an, die Hauptwildart in dieser Gegend. Das Kahlwild ist gerade aufgegangen, und der Abschussplan sieht allerhand vor. Überwiegend gilt es nun Kälbern, aber auch Doubletten aus Kalb und Alttier sind gern gesehen. Doch häufig klappen will es mit ihnen nicht.

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Das hat geklappt! Saubere Doublette, bei der keine „Zeugen“ hinterlassen wurden (Bild: Heiko Hornung)

Irgendwann ist es soweit. Kalb und Alttier bummeln durch das Bruch, das zwischen See und Wildacker liegt. Ich überlege nicht lange, warte auf den richtigen Moment und erbeute das Kalb. Es liegt am Anschuss. Das Alttier macht bloß eine kurze Flucht. Uneinsehbar für mich, aber nah sichert es zum Kalb zurück und mahnt. Ich rechne damit, dass es alsbald wegziehen wird, doch das geschieht nicht. Über eine halbe Stunde hinweg mahnt es ununterbrochen, scheint die neue Situation nicht akzeptieren zu wollen. Irgendwann ist nichts mehr zu vernehmen. Das Stück scheint weggezogen zu sein. Ich baume ab und nehme das Kalb in Besitz.

Die Situation hat mich nachdenklich gemacht. Ich spreche mit einem Jagdfreund darüber, der mit mir zusammen dort jagt. Er kennt diese Situation, hat sie selbst schon einige Male erlebt. Sein Rückschluss: „Natürlich trauern auch Alttiere um ihren Nachwuchs!“ Das macht mich noch nachdenklicher. Denn so weit hatte ich damals gar nicht gedacht. Zwar soll es in diesem Artikel nicht um Jagd­ethik gehen. Ob und inwieweit Alttiere, Ricken und andere Muttertiere zum Trauern um ihren Nachwuchs in der Lage sind, vermag ich nicht zu beurteilen. Je mehr man sich mit dieser Thematik auseinandersetzt, desto wahrschein- licher erscheint es mir jedoch. Und umso relevanter und sinnvoller kommt es mir vor, nicht nur den Nachwuchs zu erbeuten, sondern ebenfalls das dazugehörige Muttertier.
 
Gute Gründe!
Darüber hinaus gibt es natürlich noch ganz andere Argumente für solche Doubletten. Ein Alttier, dem das Kalb weggeschossen wird, macht man dadurch schlau. In der Folge wird es vorsichtiger, und umso schwieriger wird dessen Bejagung. Und zwar mit jedem weiteren Kalb umso mehr.

Besteht die Möglichkeit des selektiven Jagens, ist es darüber hinaus extrem sinnvoll, neben dem schwachen Nachwuchs auch das dazugehörige Muttertier zu erlegen, da dieses häufig für die Schwäche mit verantwortlich ist.

Zudem sind solche Doubletten in Sachen Bestands-Reduktion elementar. Denn einzeln ziehende Alttiere und Ricken können nur selten mit der Sicherheit erlegt werden, dass deren Nachwuchs bereits gestreckt wurde oder anderweitig verendet ist. Erst recht nicht auf Drückjagden, auf denen häufig ein Großteil des weiblichen Abschusses getätigt wird.

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Kalb im Hintergrund? Das Stück steht frei, und das Alttier sichert weg vom Nachwuchs. Gute Voraussetzung! (Bild: Michael Migos)

Um einen Bestand wirksam zu reduzieren, muss in der Theorie zunächst einmal der komplette Nachwuchs eines Jahres entnommen und darüber hinaus noch bei den Zuwachsträgern eingegriffen werden. Es ist allerdings utopisch, eine komplette Kälber-Generation zu entnehmen. Und alle überlebenden weiblichen Kälber sind im Jahr drauf als Schmaltiere neue Zuwachsträger. Gleiches gilt fürs Rehwild. Das zeigt, wie wichtig es ist, auch Muttertiere zu erbeuten. Alleine mit Schmalwild lässt sich der zu tätigende Abschuss bei den Zuwachsträgern nämlich nicht erreichen. Doubletten aus Kalb/Alttier oder Kitz/Ricke sind daher unabdingbar.
 
Geduld, Geduld, Geduld!
Doch wie gelingen diese denn nun? Das ernüchternde Fazit vorweg: Eine Garantie gibt es nicht. Dafür aber Möglichkeiten, die Wahrscheinlichkeit für das Gelingen zu erhöhen. Da ist zunächst einmal eine jagdliche Grundregel, die einigen schwer fällt: Geduld! Und damit ist nicht die Zeit gemeint, die man warten muss, bevor einem im Jägerleben endlich mal eine Doublette gelingt. Vielmehr muss man Geduld zeigen, um erst (!) im richtigen Moment zu schießen.

Dabei hilft der Versuch, sich ins Wild hineinzuversetzen. Nehmen wir an, Kalb und Alttier erscheinen auf der Bildfläche. Sie zeigen noch große Vorsicht, sind gerade erst auf den Wildacker gewechselt, sichern. Beide haben sich gegenseitig im Blick, stehen nah beieinander. Auf der Kanzel die andere Perspektive. Die des Jägers. Alttier, Kalb. Kalb steht frei, passt! Der Weidmann greift zur Waffe und schießt. Das Kalb bricht zusammen, das Alttier zuckt und flüchtet, sieht nicht nur den Nachwuchs zusammenbrechen, sondern verknüpft das sofort mit dem Schussknall. Erst recht, wenn es nicht das erste Kalb war, das es auf diese Art verloren hat. Dieses Alttier wird dem Schützen nur mit sehr viel Glück durch Zurücksichern eine Doubletten-Chance geben.

Wenn die fortgeschrittene Dämmerung so einen überhasteten Schuss nicht ge­rade erfordert, sollte er grundsätzlich unterbleiben. Egal, ob auf einem Wild-acker, einer Schadfläche oder irgendwo anders. Äsungsflächen bedingen ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis des Wildes. Wenn es mit Nahrungsaufnahme beschäftigt ist, sind die Sinne nicht so geschärft wie sonst. Die Lichter befinden sich immer wieder in der Vegetation, das Äsen wirkt sich negativ auf den Gehörsinn aus. Natürlich wirft das Wild immer wieder auf und sichert. Insgesamt fällt es Fressfeinden jedoch leichter, sich in diesen Situationen potenziellen Beutetieren zu nähern als in deren Ruhephasen. Daher ist vor allem Rotwild sehr vorsichtig, wenn es Äsungsflächen betritt.

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Das Kalb steht frei, sollte aber noch nicht erlegt werden. Das Alttier würde alles mitbekommen (Bild: Sven-Erik Arndt)

Ein Wildacker soll bei dieser Wildart ohnehin besser nicht zum Abschuss dienen. Wenn möglich, sollte das Wild dort seine Ruhe haben. Erst recht, wenn es sich um größere Rudel handelt, die dort zur Äsung ziehen. Wenn es ein kleiner Familienverband aus Alttier, Schmaltier, Kalb ist, sieht die Sache schon anders aus. Doch auch hier ist der Abschuss auf dem Wechsel hin oder zurück deutlich sinniger.

Der Jäger sollte also zunächst einmal warten, bis das Wild Vertrautheit zeigt. Wenn der Wind gut steht und das Licht noch reicht, hat er dazu alle Zeit der Welt. Und wenn diese Vertrautheit erst einmal da ist, wird der Fluchtinstinkt des Wildes auch anders sein. Natürlich ist er dann nicht in Gänze weg. Aber je entspannter das Wild, desto überraschter ist es auch, wenn eine ungewohnte Situation eintritt, beispielsweise durch einen Schuss. Und ebendiesen Überraschungseffekt gilt es zu nutzen.
 
Ich sehe nichts, ich weiß nichts!
Jäger sollten sich aber noch aus einem anderen Grund gedulden. Es ist wichtig und entscheidend, dass das Muttertier im Moment der Schussabgabe den Nachwuchs nicht im Blick hat. Denn wenn es Kalb oder Kitz nicht fallen sieht, weiß es auch nicht, dass genau das passiert ist. Die Tatsache, dass der Nachwuchs (verendet im hohen Gras) für das Muttertier nicht mehr sichtbar ist, daher wohl durch den Schuss verendet sein muss, setzt eine Komplexität des Denkvermögens voraus, das ich selbst unserem intelligenten Rotwild nicht zutraue. Die Ausnahme bilden da sicher reifere Alttiere, die schon reichlich Erfahrung mit Schüssen gemacht haben, in deren Folge ihr Nachwuchs (sichtbar) zusammengebrochen ist.

Stücke, die diese Erfahrung noch nicht gemacht haben, zeigen in der Regel erst einmal eine gewisse Unsicherheit. Sie sichern nach einer eventuellen kurzen Flucht zurück und suchen dabei regelrecht nach Kitz oder Kalb. Die Chance für eine Doublette!

Es ist also entscheidend, beim Schuss auf das Kalb, das selbstverständlich als erstes erlegt wird, nicht nur darauf zu achten, dass dieses breit steht, sondern auch darauf, dass das dazugehörige Alttier seinen Nachwuchs nicht im Blick hat. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Stücke sozusagen Spiegel an Spiegel stehen, das Alttier das Haupt gerade im tiefen Gras versenkt hat oder aber das Gelände durch Kanten oder Vegetation den Blick zwischen den Stücken unterbricht. Gleiches kann man sich übrigens auch an einer Kirrung zu Nutze machen, indem viele Kirrstellen durch dichte Vegetation voneinander getrennt werden.
 
Ruhe auch nach dem Schuss
Sollte sich trotz dieser Maßnahmen keine Chance auf eine Doublette ergeben, da das Muttertier flüchtig abgeht und von der nächsten Deckung verschluckt wird, heißt das nicht, dass diese Chance vertan wäre. Erst recht nicht bei Rehen! Denn die Ricke lässt sich mit dem Kitzfiep durchaus wieder zurücklocken.

Aber auch bei unseren Hirscharten ist es immer wieder zu beobachten, dass das Alttier zum Kalb zurückkommt. Mir ist das sogar einmal während der Drückjagd auf einem Truppenübungsplatz passiert. Aus einem vielleicht 20 Kopf starken Kahlwild-­Rudel habe ich ein Rotkalb erlegt. Das Rudel flüchtete daraufhin, ein einzelnes Alttier kam jedoch wenige Minuten später zurück zu seinem Kalb. So gelang mir eine Doublette. Es kann sich also durchaus lohnen, etwas länger nach dem Schuss auf dem Ansitz zu bleiben. Wichtig dabei: Ruhe bewahren und keine hektischen Bewegungen!

Repetieren sollte man übrigens unmittelbar nach dem Schuss. Das Wild bekommt das aufgrund der zeitlichen Nähe zum Schussknall in der Regel gar nicht mit. Vorteilhaft für solche Doubletten ist zweifelsohne eine Selbstladebüchse. Mit ihr spart man sich das Repetieren und kann sich daher voll und ganz auf die neue Zielaufnahme konzentrieren. Dabei spricht für versierte Schützen auch nichts dagegen, auf ein flüchtiges Stück zu schießen, wenn die Bedingungen dafür passen.

Für eine Doublette ist es in jedem Fall sinnvoll, diese bereits vor dem ersten Schuss im Kopf zu haben. Wenn der Jäger gut schießt und die Ausrüstung verlässlich ist, dürfte der erste Schuss eine sichere Bank sein. Sich dann sofort auf das dazu- gehörige Muttertier zu konzentrieren, spart Zeit! Und häufig genug ist es nur ein schmales Zeitfenster, das sich für eine eventuelle Doublette öffnet.

So ein doppeltes Weidmannsheil ist allerdings etwas für Könner. Die Natur ist keine Schießbude! Wer vom Ansitz aus solche Doubletten schaffen möchte, muss schießen können und Nerven bewahren. Das sind wir dem Wild schuldig!

Autor: Peter Diekmann