Erntejagd ist nichts für Amateure! Schützen, die im Sommer am Raps stehen und später am Mais, sollten nicht nur treffsicher sein, sondern auch ruhig bleiben können und den Überblick behalten. Stände ändern sich aufgrund des Dresch-Fortschritts immer wieder, Mähdrescher und Traktoren sind ständig in Bewegung, Schaulustige tauchen auf und verschwinden wieder, und zu allem Überfluss stehen Jäger mitunter auch noch auf dem Boden. Es sind eine Menge Faktoren, die der Schütze im Blick haben muss, bevor er schießt.
Wo will die Rotte hin? Die Wald-Feld-Grenze ist lang. In jedem Fall bieten sich am Waldrand noch Schusschancen (Bild: Burkhard Winsmann)
Kommt es dazu, muss er obendrein zuvor noch lupenrein angesprochen, eine Sau frei haben − ohne andere zu gefährden − sowie auf teils rasant flüchtende Schwarzkittel feuern. Er muss nicht, kann aber, und wird dies auch häufig genug tun. Alles in allem eine Menge unterschiedlicher Faktoren, die jeden erkennen lassen, dass jagdliches Können, Disziplin und Besonnenheit hier derart gefragt sind, wie bei kaum einer anderen Jagdart.
Qualität vor Quantität!
Umso mehr wundert es da, dass mit Erntejagden leichtfertig umgegangen wird: Da werden im „Hauruck-Verfahren“ Schützen zusammengetrommelt, ohne darauf zu achten, wie diese ticken und schießen. „Hauptsache viele!“, scheint mitunter das Motto zu lauten. Dabei sorgen wenige Gute meist für mehr Erfolg als viele mit „gemischten Fähigkeiten“, um es einmal diplomatisch auszudrücken. Wenn Erntejagden wie Hasentreiben abgestellt werden, dann meist aufgrund des einen Gedanken, dass Sauen dort irgendjemandem auf passende Schussdistanz kommen müssen. Das ist zwar nicht grundverkehrt, führt aber dazu, dass die Sauen dort ganz sicher nicht vertraut und im moderaten Tempo auswechseln. Meist flüchten sie dann regelrecht aus dem „Treiben“, und das häufig genug dicht gedrängt. Selbst wenn sich eine Schusschance bietet, ohne dabei andere Sauen zu gefährden, muss es schon mit Glück zugehen, dass ausgerechnet dort einer oder zwei der besseren Schützen stehen, die aus dieser Chance auch etwas machen. Natürlich wird es allem Pessimismus zum Trotz immer wieder mit dem Jagderfolg klappen. Doch das Risiko muss dabei dennoch in Kauf genommen werden. Es geht aber auch sicherer und kleiner mit ebensolcher, eher sogar höherer Aussicht auf Erfolg.
Planung fängt im Frühjahr an
Wie in vielen Fällen ist ein rechtzeitig geschmiedeter Plan Gold wert. So wird etwa auch bei Drückjagden früh eingeladen. Der Terminkalender fürs Herbst-/Winterhalbjahr ist bei guten Drückjagdschützen meist schon im Sommer voll. Warum diese Schützen nicht ebenfalls für die Erntejagden „reservieren“?
So sollte es sein: Drückjagdböcke sind im perfekten Abstand positioniert. So kann sicher angesprochen und geschossen werden (Bild: Dirk Waltmann)
Natürlich ist es nicht möglich, den genauen Termin vorab festzulegen. Doch ebenso wie die Blattjagd stets Anfang bis Mitte August stattfindet und die Drückjagdsaison im Oktober langsam anläuft, ist auch die Rapsernte stets Ende Juli/Anfang August zu verorten. Gespräche mit den Landwirten, die über Aussaat- und Erntetermine in der Regel ganz gut Bescheid wissen, können den Termin eventuell noch weiter eingrenzen. Verfügt das Revier dann noch über aussichtsreiche Raps- und Maisflächen, sind gute Schützen sicher gerne bereit, sich für ein bis zwei Wochen auf Abruf zu halten.
Schützenanzahl genau festlegen
Doch damit nicht genug. Auf einer Revierkarte können Pächter und Mitjäger früh einzeichnen, auf welchen Flächen Raps und Mais angebaut werden. Der Blick von oben hilft, auf eventuelle Fluchtwechsel zu stoßen, nächstgelegene sowie potenzielle Dickungen herauszufiltern sowie Entfernungen einzuschätzen. So ist es etwa möglich, bei einer maximalen Schussdistanz von 60 Metern sowie der Größe der jeweiligen Wald-Feld-Grenzen, an denen das Wild einwechseln kann (und voraussichtlich auch wird), die Anzahl der Schützen festzulegen.
Nur ein Schütze pro Flanke
Aussichtsreiche Stände können bereits im Frühjahr geplant und festgelegt werden. Natürlich spricht nichts dagegen, bei gegebenem Kugelfang Schützen direkt am Feld zu positionieren, das abgeerntet wird. Allerdings sollten dort nicht allzu viele Schützen stehen. Auf keinen Fall mehr als ein Schütze pro Flanke, um das gegenseitige Gefährdungspotenzial zu minimieren und die jeweiligen Schusschancen zu erhöhen. Hinzu kommt, dass Sauen zwar nicht immer, in der Regel jedoch erst bei den letzten zwei, drei Bahnen Raps das schützende Dickicht verlassen. Bis zu dem Zeitpunkt ist der „Raps-Rest“ bereits auf eine Größe zusammengeschrumpft, bei der ein Schütze pro Seite völlig ausreicht.
Heiße Phase am Ende
Je nach Größe des zu erntenden Schlages und Alter/Größe/Geschwindigkeit des eingesetzten Mähdreschers kann es einige Stunden dauern, bis die „heiße Phase“ einsetzt. Wenn die Stände von Beginn des „Treibens“ an besetzt werden, kostet das bei hochsommerlichen Temperaturen schnell Konzentration, ohne dass dabei große Erfolge zu erwarten sind. Sinnvoller ist es aus meiner Sicht, etwas länger im Schatten abzuwarten, bis die ersten Bahnen gedroschen sind und mindestens 60 bis 100 Meter „Stoppel-Schussfeld“ vorhanden sind.
Sauen im „Klumpen“ und Mähdrescher im Hintergrund: Es passt nicht! Der Schütze ist zurecht nicht im Anschlag (Bild: Heino Petersen)
Idealerweise werden dort dann Drückjagdböcke positioniert. Am besten sind diese auf Pick-up-Ladeflächen montiert, oder aber es befindet sich eine Art Klappstand auf dem Dach des Autos. So ist kein großer Kraftaufwand nötig, und jeder Schütze kann selbst „in Position“ fahren. Diese muss auch nicht mit jeder abgefahrenen Bahn näher an den verbliebenen Schlag herangerückt werden. Das erhöht zwar das sichere Schussfeld nach außen hin, sorgt aber für zusätzliche Unruhe. Außerdem kann es sein, dass die Sauen ausgerechnet in dem Moment den schützenden Raps verlassen: Somit kann eine Chance nicht genutzt werden, weil der Schütze gerade im Wagen sitzt. So oder so werden die Sauen irgendwann von innen nach außen flüchten. Schussfeld ist dann immer noch reichlich vorhanden. Darauf sollten die Jagdorganisatoren allerdings vorab achten. Kugelfang ist dabei ebenso entscheidend wie sichere Schusskorridore, die keinen anderen Schützen gefährden.
So fern und doch so nah
Machen die maximal vier Schützen an den Flanken des Schlages keine oder nur bedingt Strecke, kann die „zweite Schützenkette“ nun noch etwas dazulegen. Die ist nämlich an aussichtsreichen Ständen unweit des Schlages abgestellt, sozusagen an „nahen Fernwechseln“. Also genau dort, wo mit flüchtenden sowie Deckung suchenden Sauen zu rechnen ist. Die kennen ihr Revier ganz genau und wissen, wohin sie flüchten können. Je mehr potenzielle Deckungs-Möglichkeiten existieren, desto schwieriger wird es allerdings, die wahrscheinlichste vorherzusagen. Mein Tipp: Alles, was im Umfeld von maximal 500 bis 1.000 Metern an Deckung und Struktur da ist, sollte auch besetzt werden, so dies möglich ist und ausreichend Schützen sowie Schussfeld vorhanden sind. Sollte das nicht der Fall sein, hilft nur Mut zur Lücke. Es spielt in jedem Fall keine Rolle, ob diese Stände noch im Feld oder bereits im Wald liegen. Wichtig ist, dass hier ausreichend Schussfeld vorhanden ist, um dort auch effektiv weidwerken zu können.
Perfekte Position: Fernab des Ernte-Geschehens ist dieser Schütze positioniert. Ihm kommt eine passende Sau. Kugelfang ist gegeben, andere Schützen sind nicht da. Der nicht mehr ganz so flüchtige Schwarzkittel kann sauber erlegt werden (Bild: Michael Stadtfeld)
Auf diesen Ständen dürfen übrigens zudem ruhig unerfahrenere Jäger zum Einsatz kommen. Denn die Stände müssen natürlich so gewählt werden, dass dort kein anderer Schütze gefährdet wird. Klar im Vorteil sind dabei Gegenden, die über kupiertes Gelände verfügen. Abfallende Geländekuppen bieten beispielsweise perfekte Sicherheit, wenn dort kein anderer Schütze positioniert ist. Ein weiterer Vorteil dieser „nahen Fernwechsel“ ist, dass die Sauen hier mitunter schon etwas langsamer anwechseln und so bessere Schusschancen gegeben sind. Besonders aussichtsreiche Stellen finden sich natürlich dort, wo Schwarzwild-Wechsel deutlich erkennbar sind. Ist dieser Einwechsel vom Feld in den Wald so weit vom Erntegeschehen entfernt, dass hier ein Schütze sozusagen als „Satellit“ ganz für sich alleine abgestellt werden kann, sollte das auch so geschehen. Falls nicht, ist die nächstbessere Möglichkeit im Wald zu suchen, an der Schussfeld gegeben ist.
Fazit
Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass Erntejagden sehr viel planbarer sind, als viele denken. Das Motto sollte lauten: Mit so wenig guten Schützen wie nötig von erhöhten Positionen aus an den aussichtsreichen Stellen ohne Gefährdungs-Potenzial für andere weidwerken! So steht einer guten Strecke ohne „Verletzte“ nichts im Wege!