17.01.2024
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WUH
Ausgabe 03/2024
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8 Min

Novelle Bundeswaldgesetz

Perspektivenwechsel im Wald

Im Koalitionsvertrag wurde bereits eine Novellierung des Waldgesetzes angekündigt, mit der Klimaschutz und Biodiversität gestärkt werden sollte. Nach der Bauchlandung mit dem Heizungsgesetz war die Erwartungshaltung hoch. Was bedeutet die Reform für Wald und Wild? Dr. Christine Miller

Perspektivenwechsel im Wald

Bild: istockphoto/audioundwerbung

Den 4 Schwergewichten des Naturschutzes, Naturschutzbund (NABU), Deutscher Naturschutzring (DNR), Deutsche Umwelt­hilfe (DUH) und World Wide Fund For Nature (WWF), mangelt es nicht an Selbstbewusstsein. Sie waren gleich mit eigenen Entwürfen in den Ring ­gestiegen. Natürlich waren die zu ­erwartenden Forderungen von Eigenbewirtschaftungs-Minirevieren bis zur dem Grundbesitz „dienende Jagd“ enthalten. Umso mehr überraschte der ­Referentenentwurf, in dem von solchen Ideen kaum etwas zu finden war, dafür aber jede Menge Vorgaben für den künftigen Umgang mit Wäldern. Der Aufschrei bei den betroffenen Verbänden war daher groß. Freizeitsportler und Mountainbike-Verbände sahen ihre Rechte massiv eingeschränkt und die „Forst- und Jagdlobby“ am Werk, die ihre Forderungen zu Lasten der Waldbesucher einbringen konnten.

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Umweltverbände fordern im Waldgesetz einen festgeschriebenen Überschirmungsgrad von 70 %. Für Auerwild bspw. wäre das kein Lebensraum. (Bild: Jaroslav Vogeltanz)

Grundbesitzer- und Forstverbände dagegen fühlten Forstleute unter Generalverdacht gestellt, weil nun die Holzproduktion nicht mehr vorrangiges Ziel in den deutschen Wäldern sein sollte und sogar zu exotischen Umbauver­suchen eine Absage erteilt wurde. ­Naturschutzverbände beklagten, dass der Referentenentwurf allzu unverbindlich formuliert, dass die Wilddichte einer Waldverjüngung nicht entgegenstehen solle und Pflanzungen von standortheimischen Bäumen wirksam gegen Verbiss zu schützen seien. Interessenvertretungen wie der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) möchten auch Waldbilder und Bewirtschaftungsweisen generell festgeschrieben wissen und fordern bspw., dass der Überschirmungsgrad nicht unter 0,7 fallen dürfe, was gleichsam das Aus von Lebensräumen für Auerhuhn- und andere Licht liebende Waldarten bedeuten würde.

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Mit der Pflanzung von Exoten, wie Thujen (l.) oder Amerikanische Rotfichten (r.), wollen einige Waldbesitzer in Deutschland dem Klimawandel begegnen. (Bild: wikimedia.org/Jarek Tuszynski)
 


Neuerungen im Detail


Gleich zu Beginn fordert der Entwurf des BWaldG, dass der Wald auch als Lebensraum für wild lebende Tiere und Pflanzen zu erhalten sei. Auch der passive Schutz vor Wildverbiss ist nicht tabu. In § 13 heißt es: „Je nach örtlichem Wildbestand kann der angestrebte ­Erfolg (Anm. d. Red.: einer Erstaufforstung) zudem besondere Maßnahmen des Schutzes vor Wildverbiss erfordern.“
 


Wild ist Teil des Waldes


In § 18, der sich dem Naturschutz und dem Wildmanagement widmet, geht es dann für die Jagd zur Sache. In Absatz 3: „Wild ist untrennbarer Bestandteil des Waldes und der angrenzenden Landschaftsräume.“ Die Länder müssen in ihren Waldgesetzen dafür Sorge tragen, dass ein dem jeweiligen Naturraum „angemessener Wildbestand“ definiert und ermöglicht wird. Dazu dürfen die Länder neben Vegetationsgutachten auch andere Erhebungen „zur Ermittlung einer örtlich habitat­angepassten Wilddichte“ vorschreiben. Der Waldbesitzer wird explizit aufgefordert, bei der Bewirtschaftung ausreichende Lebensräume und Habitatstrukturen zu erhalten oder zu schaffen.

Dem Naturschutz im Wald wird nun mehr Gewicht verliehen. Bisher galt der Grundsatz, dass durch die Wahrung der „guten fachlichen Praxis“ in der forstlichen Bewirtschaftung kein Konflikt mit dem Naturschutz entstehen würde. Nun steht im Gesetzentwurf klar: „Bei der Waldbewirtschaftung sind die Anforderungen des Naturschutzes einzuhalten.“ Und weiter wird ausdrücklich gefordert, dass „… während der Brut- und Setzzeiten Maßnahmen, insbesondere der Holzeinschlag, so durchzuführen (sind), dass eine ­erhebliche Störung der Brut von streng geschützten Arten nach § 7 Absatz 2 Nummer 14 des Bundesnaturschutz­gesetzes unterbleibt“.
Massive forstliche Eingriffe werden weitgehend eingeschränkt. Das gilt nicht nur für das Verbot großer Kahlschläge oder das Einbringen von exotischen Baumarten. Der Klimawald der Zukunft soll in erster Linie aus standortheimischen Pflanzen bestehen. Zum Schutz des Waldbodens und des ­-klimas wird die Feinerschließung mittels Forstwegen und Rückegassen beschränkt. Deren Abstand voneinander muss mind. 40 m betragen („nicht mehr als 10 % der Holzbodenfläche“). Das gilt allerdings nur für die Neuanlage und nicht für das weitaus dichtere Rückegassennetz, das in manchen Staatsforsten aktuell üblich ist.

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Bei den Bewirtschaftungsplänen forstlicher Zusammenschlüsse sollen Naturschutzverbände, also auch die Jagdverbände, mitreden. (Bild: shutterstock/Ansario)

Die Verpflichtung zu Bewirtschaftungsplänen ab einer Mindestgröße forstlicher Zusammenschlüsse und deren Überprüfung führt natürlich auch zu einem größeren behördlichen Einfluss in große und mittlere Privatforste. Bei Planungen, die Einfluss auf die definierten Schutzgüter (z. B. Wildlebensräume) haben, sind nun auch die Träger öffentlicher Belange zu beteiligen. Naturschutz und ­Naturschutzvereinigungen, zu denen auch Jagdverbände gehören, hätten nach dem Entwurf in der derzeitigen Fassung nun ein verbrieftes Mitspracherecht.

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Große Kahlschläge und eine unbeschränkte Feinerschließung der Wälder durch Rückegassen soll es im neuen Waldgesetz nicht mehr geben. (Bild: wikimedia.org/StagiaireMGIMO)

Eine für Jagd und Wildmanagement bedeutende Neuerung im Gesetzentwurf bringt die Präzisierung des freien ­Betretungsrechtes in § 29. Dieses Recht ist nur mehr gegeben zum Zwecke der Erholung „auf natur- und gemeinverträgliche Weise“. Geocaching, Mountainbiking oder nächt­liche Aktivitäten können so eingeschränkt werden. Das gilt auch, wenn dies durch die Wald- und Wildbewirtschaftung erforderlich ist. Die Länder können dazu nun konkrete Einschränkungen treffen, z. B. „das Betreten in der Zeit von einer Stunde nach Sonnenuntergang bis eine Stunde vor Sonnenaufgang (Nachtzeit) auf Waldwege zu beschränken“. Dies soll explizit auch dem Schutz von störungsempfindlichen Wildtieren oder geschützten Arten vor Beunruhigung während der Nacht dienen.

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(Bild: shutterstock/Roman Mikhailiuk)

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Naturschädigende Erholung, wie Mountainbiking und Geocaching abseits der Wege, möglicherweise sogar bei Nacht, könnten bald der Vergangenheit im Wald angehören. (Bild: shutterstock/Photoschlick)

Besonders erfreulich ist der sog. „Komoot-Paragraph“. ­Komoot ist einer von vielen digitalen Routenplanern, in ­ denen jeder seine Wege und Touren eintragen kann. In § 33 (3) wird nun das digitale Ausweisen oder Anzeigen von noch nicht vorhandenen Trails und Routen sowie von Wildwechseln und Rückegassen verboten, soweit der Waldeigentümer nicht ausdrücklich zugestimmt hat und die zuständige Behörde dies gestattet. Die Länder können diese Regelung auch noch weiter nachschärfen.
Alles in allem ist der Referentenentwurf der Novelle des BWaldG erfreulich ideologiefrei und bietet einen Perspektivenwechsel von Forst zu Wald als Ökosystem und Lebensraum. Für Jagd und Wild finden sich darin viele hoffnungsvolle Ansätze, die die Länder weiter präzisieren können. Doch nach dem allgemeinen Aufschrei vieler Nutzerverbände wird an dem Referentenentwurf sicher noch viel gezerrt und gerupft werden. Vor einer Abstimmung im Bundestag ist jetzt eine Schlacht der Lobbyistenverbände zu erwarten. Und eine der Kernforderungen dürfte sicher auch sein, dass die Jagd wieder ihre „dienende“ Funktion und Haltung einnehmen soll. Dem sollten sich die Interessenvertreter v. a. der Jagd, aber auch des Natur- und Tierschutzes entgegenstellen.

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Digitale Routenplaner sollen künftig keine Trails abseits von öffentlichen Wegen ohne die Zustimmung der Grundeigentümer einstellen können. (Bild: freepik)

Autor: Dr. Christine Miller