30.09.2023
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12 Min

RF Praxis Praxis Raubfisch

Free Rig - das bessere Texas Rig?

Obwohl sich beide Montagen auf den ersten Blick ähneln, besitzt das Free-Rig in einigen Situationen einen entscheidenden Vorteil. Welcher das ist und warum es hierzulande nur begrenzt, aber dafür zielsicher eingesetzt werden kann, verrät Ihnen Johannes Dietel. Text: Johannes Dietel, Fotos: Johannes Dietel & Henrik Haack

Free Rig - das bessere Texas Rig?

Bild: Johannes Dietel

Sind Sie bereits mit dem Free Rig vertraut? Ich habe an der Modifikation des allseits bekannten Texas Rigs selber ein bisschen gezweifelt. Wenn man beide Montagen nebeneinander sieht, kommt das gute alte T-Rig kompakter und subtiler rüber als das vergleichsweise klobige Free Rig. Aber bevor ich jetzt ins Detail gehe, möchte ich Ihnen erst einmal den Unterschied erklären und aufzeigen, was die Idee hinter diesem neuartigen Rig ist.

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Wichtiges Utensil: Ein Stopper mit geeignetem Durch-messer verhindert, dass das Blei zu weit, oder gar über den Verbindungsknoten zur Hauptschnur rutscht. (Bild: Johannes Dietel)

Die Unterschiede

Beim Texas Rig lautet die Bindereihenfolge: Bullet-Weight, Perle, Haken. Wenn man verhindern möchte, dass das Gewicht zu weit Richtung Hauptschnur rutscht, kann man ungefähr 30 Zentimeter vor der Patrone einen Gummi- oder Silikonstopper vorschalten. Beim Free Rig kommt hingegen immer ein Stopper auf das Vorfach. Das liegt schlichtweg daran, dass die Öse des Stabgewichts einen größeren Innendurchmesser als das Bullet-Weight aufweist und somit auch deutlich rutschfreudiger ist. So könnte es sein, dass beim Absinken das Stabblei über den Verbindungsknoten auf die Hauptschnur rutscht. Das sollte man auf jeden Fall vermeiden. Auch bei etwas höheren Bleigewichten darf der Stopper aber nicht verrutschen. Daher setze ich auch bei diesem kleinen Detail auf hochwertiges Zubehör, zum Beispiel den C&T-Rig-Stop von Zeck-Fishing. Anschließend folgt eben jenes Stabblei mit Öse, eine Perle und ein Spezial-Haken mit Ring in der Öse.

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Simpler Aufbau: Neben dem Stabblei benötigt man lediglich eine Glas- oder Plastikperle als Rutsch- und Knotenschutz. (Bild: Johannes Dietel)
Es funktionieren zwar auch andere Offset-Modelle, allerdings möchte ich immer das Optimum aus meinen Rigs rausholen - daher muss auch selbstverständlich der perfekte Haken eingebunden werden. Denn der Ring verleiht dem Köder noch ein bisschen mehr Spiel, und das mache ich mir definitiv zu Nutze. Auf die Perle kann man dann theoretisch auch verzichten. Anders als bei normalen Offset-Haken, verhindert der Ring, dass das Blei über die Hakenöse auf den Haken rutscht. Zum Schutz des Knotens verwende ich sie aber trotzdem lieber.

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Mehr Swing dank Ring: In Johannes‘ Augen das Tüpfelchen auf dem i. Damit bewegt sich der Köder noch ein bisschen freier und kann so sein Spiel besser entfalten. (Bild: Johannes Dietel)

Die Theorie

Das Texas Rig kann durch Kraut, Seerosen und Äste schlüpfen, ohne Grünzeug einzusammeln oder im Holz hängen zu bleiben. Das soll das Free Rig auch können. Zusätzlich soll es aber auch vertikal regelrecht abstürzen. Deshalb wurde das Patronen- gegen ein Stabgewicht getauscht, welches den Köder schon in der ersten Absinkphase nach dem Auswerfen kerzengerade nach unten befördert. Den Erfindern aus den USA und Japan geht es um Folgendes: Der Schwarzbarsch steht gerne ganz tief in seinem Unterstand. Wenn der Köder den Grund erreicht hat, sollte er möglichst nah am Versteck zum Liegen kommen. Gleitet er zu weit weg, ist er außerhalb der sogenannten „Biss-Zone“, also dem heißen Bereich. Genau das passiert oft beim Texas Rig. Daher wurde das Free Rig ins Leben gerufen. Da es direkt am Hindernis vertikal in die Tiefe fällt, ist der Köder gleich im Sichtfeld der Fische.

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Beim Absinken trennt sich der Köder vom Gewicht und segelt langsam hinterher - Winterbarsche lieben das. (Bild: Redaktion)

Nun wird es wohl noch eine Weile dauern, bis der Schwarzbarsch bei uns heimisch wird. Und ich denke, dass wir uns weitgehend darüber einig sind, dass wir uns bis dahin die Zeit sehr gut mit seinem nicht minder interessanten Vetter, dem Barsch, vertreiben können. Zumal der in meinen Augen auch noch viel schöner ist. Auch die meisten unserer heimischen Gewässer sind nicht ansatzweise so wild und natürlich. Riesige, versunkene Waldflächen sind selten und werden wohl auch in Zukunft eher eine Ausnahme bleiben.

Doch neugierig wie ich nun einmal bin, habe ich nach anfänglichem Zögern das System trotzdem einmal ausprobiert. Es waren einfach zu viele Barschangler auf Instagram und Youtube unterwegs, die das Free Rig in den Himmel lobten - und es bis heute tun. Die ersten, eigenen Experimente habe ich für meine Freunde und Kollegen natürlich auf Youtube festgehalten. Am ersten Tag baute ich das Rig noch streng nach Vorbild auf und fing tatsächlich ganz gut. Am darauffolgenden Tag bin ich mit einer abgespeckten und an die Berliner Barschverhältnisse angepassten Version losgezogen. Auch dieser Plan ging voll auf - was nicht immer selbstverständlich bei solchen Experimenten ist. Lassen Sie es mich vorsichtig ausdrücken: Ich war absolut begeistert.

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Zwischen Steinen und Wurzeln ist das Free Rig weitaus weniger anfällig für Hänger als zum Beispiel das Texas Rig. Das eröffnet dem „Finesser“ ganz neue Möglichkeiten. (Bild: Johannes Dietel)

Die Praxis

Inzwischen habe ich ein wesentlich klareres Bild von der Materie, und das möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Ich würde soweit gehen, dass der eigentliche Grund für diese Weiterentwicklung des Texas Rigs bei uns wirklich sehr selten eine Rolle spielt. Das liegt einerseits an den hiesigen Gewässern, andererseits auch einfach am Zielfisch selber. Es ist eben schwer zu vergleichen. An Stegen und im Wasser liegendem Totholz, an Bojen oder Spundwänden die vom Boot aus angeworfen werden, kann das Free Rig unter Umständen Sinn machen. Aber Achtung: Um ein senkrechtes Absinken zu erzielen, muss ab einer Tiefe von über zwei Metern während der Absinkphase Schnur nachgefüttert werden. Ansonsten wird das Rig doch wieder weg vom Hindernis in Richtung Angler gezogen.

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Wer hart am Hindernis angelt, braucht eine stabile Verbindung. Daher setzt der Autor auf sehr abriebfestes Fluorocarbon von Momoi. (Bild: Johannes Dietel)

Trotzdem besitzt das Free Rig eine sehr interessante Eigenschaft: Es ist weit weniger anfällig für Hänger als Bullet-Weights. Wenn man das Stabblei über den Grund zieht oder zuppelt, bleibt es deutlich seltener zwischen Steinen oder Muscheln hängen. Während sich das Blei des T-Rigs in jede Lücke bohren würde, hoppelt das Stabgewicht „free & easy“ über die kleinen Hindernisse hinweg. Im Holz bleibt der Stab noch seltener hängen, als sein schnittiges Vorbild. Auch was die Köderpräsentation anbelangt, gibt es kleine, aber nicht minder entscheidende Unterschiede. Das Stabblei löst sich sehr einfach vom Köder, und zischt nach dem Anzupfen senkrecht zum Grund. Der Köder folgt mit einer gewissen Zeitverzögerung. Das ist schon deutlich anders als beim Texas Rig und kann an manchen Tagen wirklich den Unterschied ausmachen. Davon bin selbst ich mittlerweile überzeugt.

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Gummikrebse und Creature-Baits sinken langsam und verführerisch ab und sind daher die perfekten Köder. Zum Beispiel der Edward von Zeck Fishing oder die Mighty Mama von Noike. (Bild: Henrik Haack)

Die Köderführung

Das Free Rig kann auf zwei Weisen besonders gut gefischt werden. Zum einen durch gezieltes Anzupfen, zum anderen aber auch durch einfaches Schleifen. Gezupft wird immer mit erhobener Rutenspitze. Aus der zehn Uhr Position geht ein zackiger Zupfer auf elf oder gar zwölf Uhr. Anschließend wird die Rutenspitze wieder abgesenkt, so dass die Fische den freien Köder aufnehmen können. Beim Schleifen zieht man die Montage aus der zehn Uhr Position auf zwölf Uhr. Nun senkt man die Rutenspitze ab, nimmt die lose Schnur auf und wiederholt das ganze von Neuem. Eine dritte Option ist eine Kombination beider Techniken, ich nenne sie liebevoll „Zuppel-Schleifen“. Bei dieser Variation baue ich während des Schleifens noch ein paar ruckende Impulse aus dem Handgelenk in meine Köderführung ein.

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Mit allen Sinnen: Aromatisierte Köder sind bei dieser Technik Trumpf, wie dieser tolle Barsch von Teamangler Henrik Haack eindrucksvoll unter Beweis stellt. (Bild: Henrik Haack)

Meiner Meinung nach eignen sich die meis-ten Finesse Rigs für jegliche Gummitiere und -kreaturen. Was das anbelangt, bin ich beim Free Rig noch nicht ganz so überzeugt. Hier würde ich Ihnen in erster Linie Krebse empfehlen, die schön langsam zum Grund trudeln. Dabei müssen sie sich nicht einmal sonderlich toll bewegen. Es fangen also auch Modelle ohne Eigenaktion. Allein der schwerelose Fall scheint für die Räuber Grund genug zu sein, sích die Sache einmal näher anzusehen. Sehr gute Erfahrungen habe ich außerdem mit Larven und Pin-Tails gemacht. Alle anderen Gummi- köder sehe ich nicht als relevant für diese Montage an. Aber das ist ja auch mal ganz schön. Sonst steht man doch sehr oft vor der Qual der Wahl. Viel wichtiger finde ich, dass die Köder ordentlich aromatisiert sind. Schließlich ziele ich beim Zupfen darauf ab, dass der am Grund liegende Köder von einem Fisch zumindest testweise aufgenommen wird. Aromen sind der ideale Helfer, um die Stachelritter richtig zupacken zu lassen.

Die Hardware

Mit kürzeren Ruten kann man das Free Rig präziser animieren. Allerdings kann es sein, dass man auf weite Distanz angelt oder angeln muss. Dann ist eine etwas längere Rute nicht verkehrt. Ich fische das System am liebsten mit der Baitcaster und entsprechender Rute. Es werden auch bald richtig geniale Barsch-Alarm-Ruten auf den Markt kommen, mit denen Sie garantiert viel Spaß haben werden.

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Ein kalter Wintertag, das Free-Rig und Dickbarsch. (Bild: Johannes Dietel)

Im Grunde tut es natürlich auch jede normale Spinnrute. Schnell dürfen die Ruten gerne sein. Zu harte Spitzen sind aber eher kontraproduktiv, vor allem wenn man, wie zum Beispiel bei der Schleiftechnik, auf Kontakt angelt. Puristen würden Ihnen bestimmt Fluorocarbon als Hauptschnur empfehlen. Wenn Sie meine Videos kennen, wissen Sie auch, dass ich mit einer dünnen, geflochtenen Hauptschnur wunderbar zurecht komme. Für Fluorocarbon spricht natürlich, dass die Fische durch die Dehnung keinen Widerstand spüren und so nach einem Fehlbiss ein zweites Mal auf den Köder losgehen. Es ist auch leiser und weniger gut zu sehen. Andererseits ist mit Geflecht die Wurfweite größer und der Kontakt direkter. Diese Entscheidung kann ich Ihnen nicht abnehmen. Machen Sie es am besten von der Rute und ihrem Zielgewässer abhängig, damit fahren Sie definitiv am sichersten. Jetzt in der kalten Jahreszeit ist das Free Rig auf jeden Fall eine tolle Methode für dicke Winterbarsche. Probieren Sie es doch jetzt einmal aus!

Autor: Johannes Dietel