06.10.2023
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JWW
Ausgabe 05/2023
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11 Min

Kroatien

Es röhrt sich was!

Die Jagd auf Rothirsche in Kroatien ist weniger geläufig. Doch dort die Hirschbrunft zu erleben, kann ein beuteträchtiges Erlebnis werden.

Es röhrt  sich was!

Bild: Dieter Kronenberg

Anfang Februar 2022 rief Jagdfreund Igo Cancar an und fragte, ob es dabei bliebe, dass ich im September wieder mit ihm nach Kroatien zur Brunft „ins Rotwildparadies“ fahren werde. Da ich im vergangenen Jahr zwar viele Hirsche, aber keinen passenden vorhatte, bestätigte ich die Voranmeldung des vergangenen Jahres mit Vorfreude.
8. September 2022. Meine Jagdgruppe trifft gegen Mittag in unserer gemütlichen Unterkunft in Kanarac ein. Die Region dort ist ländlich geprägt. Und die traditionellen Speisen und Weine munden gut. Zudem sind die Einheimischen sehr gastfreundlich. Nachmittags geht’s bereits ins Jagdrevier (Region Baranja). Am Jagdhaus angekommen, werden wir von unseren kroatischen Jagdfreunden der dortigen Jagdgenossenschaft erwartet. In den angrenzenden Wäldern röhren die Hirsche. Ivan, der Präsident der Jagdgenossenschaft, berichtet, dass die Brunft seit zwei Tagen in vollem Gange sei und starke Hirsche bestätigt wurden. Dann weist er uns jeweils einen Hochsitz zu. Er ermahnt uns, langsam und leise an die Kanzeln und Ansitzleitern heranzupirschen. Denn auf dem Weg dorthin passieren wir einige Wechsel.
Ich werde bis zum Ende eines Robinienwaldes gefahren. Der Ansteller erläutert mir, dass ich links von der Straße zwischen Wald-rand und Wassergraben gut 500 Meter weiter zu einer offenen Kanzel pirschen und mich dort ansetzen solle. Das Rotwild würde auf die gegenüberliegende Feldfläche zur Äsung ziehen. Er käme zurück, wenn das Büchsenlicht erloschen sei.


Reichlich Anblick


Beim Angehen sehe ich bereits Kahlwild auf Schneisen des Robinienwaldes. Ich pirsche vorsichtig bis zur offenen Kanzel und glase dabei die Umgebung mehrfach ab. Der Rübenacker zu meiner Rechten ist umzäunt. Als ich die Leiter emporsteige, mache ich plötzlich Geweihenden eines Kronenhirsches aus, welche aus dem Wassergraben ragen. Vorsichtig klettere ich weiter nach oben. Von dort blicke ich auf einen ungeraden Zwölfer vom fünften, sechsten Kopf.
Ein wunderbarer Abend: Der Himmel färbt sich langsam rot. Und die Vögel verabschieden mit ihrem Gesang den Tag. Der junge Hirsch bewegt sich im Graben langsam von mir fort. Als ich ihm so durchs Fernglas nachschaue, wechselt ein Rudel Rotwild, angeführt von einem Alttier, aus dem Wald und verschwindet im Graben. Als letztes folgt ein kapitaler Hirsch vom zehnten/elften Kopf. Dort, wo das Rudel austritt, steht ein alter eiserner Hochsitz.
Im Graben röhrt der Hirsch in tiefem Bass. Zwei männliche Stücke, die ich aufgrund der fortgeschrittenen Dämmerung nicht mehr ansprechen kann, flüchten daraufhin. Hinter der Feldfläche zieht das Rudel aus der Senke, als ein weißer Pick-up mit Lichthupe dem Rotwild entgegenfährt, worauf das Rudel im Graben verschwindet. Später erfahre ich, dass es sich bei dem Fahrer des weißen Pick-up um den zuständigen Agraringenieur handelte, der gelegentlich das Rotwild von den Feldflächen vertreibt, um die Wildschäden zu reduzieren.
Das Büchsenlicht ist erloschen, ich pirsche vorsichtig zurück. Mein Fahrer wartet bereits am Treffpunkt. An der Jagdhütte angekommen, frage ich Ivan, ob ich morgens auf die alte Eisenkanzel gehen dürfe. Er stimmt zu.


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Der Platzhirsch befindet sich im Schatten und sichert. Das dazugehörige Brunftrudel äst friedlich im Sonnenschein (Bild: Dieter Kronenberg)

Auf der Eisenkanzel


Um 4.30 Uhr treffen wir uns erneut an der Jagdhütte. Die Hirsche sind wieder aus allen Richtungen zu hören. Wir verteilen uns auf die zugewiesenen Hochsitze. Ich pirsche nach Verlassen des Fahrzeuges, ohne eine Lampe zu benutzen, am vorabendlichen Hochsitz vorbei bis zur alten Eisenkanzel. Sie bietet ziemlich wenig Platz und quietscht auch leicht, als ich emporsteige. Beim Absuchen der Feldfläche entdecke ich eine Öffnung in der Umzäunung, die zur Schadensabwehr aufgestellt worden ist. Und im Rübenacker bemerke ich viele dunkle Schatten, die sich gemächlich in meine Richtung bewegen.
Der Tag graut. Nebelschwaden ziehen über die Flächen. Jetzt erkenne ich das Rudel wieder, welches ich auch am Vorabend sah. Mit zunehmendem Licht lässt sich besser ansprechen: Der starke Hirsch steht nicht mehr beim Verband. Er hat wohl nachts den Kampf um die Vorherrschaft verloren und zieht langsam sowie entfernt hinter dem Rudel her.
Beim Kahlwild befindet sich der neue Platzhirsch. Er fällt öfters in Richtung des Abgekämpften aus, röhrt drohend in dessen Richtung und treibt dann das Kahlwild zusammen. Der alte Kämpe zieht kraftlos mit gesenktem Haupt hinterher. Dann erscheint auf einem Feldweg hinter dem Rudel wieder der weiße Pick-up auf der Feldfläche und fährt in Richtung des Rotwildes. Das flüchtet in meine Richtung, der Alte folgt. Dann biegt der Verband nach rechts ab. Der Entfernungsmesser zeigt 169 Meter zum abgekämpften Recken, der leicht schräg verhofft.
Ich backe meine alte Voere Titan im Kaliber 7 x 64 an und entsichere. Der Zielstachel ist auf dem Stich. Der Ausschuss müsste also kurz hinter dem Blatt sein, denke ich. Dann steche ich ein, und der Schuss bricht. Der Hirsch bricht im Knall zusammen und verschwindet dabei hinter einer Bodenwelle.
Der Pick-up entfernt sich. Und ich schlendere nach einer halben Stunde zum Hirsch und versehe ihn mit Letztem Bissen und Inbesitznahmebruch. Der Schusskanal verläuft übrigens genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Dann halte ich Totenwacht ...


Bilanz


Der Recke hatte wohl eine schwere Nacht hinter sich, was sein ramponiertes Geweih verrät. Auf der rechten Seite ist die Eissprosse größtenteils abgebrochen. Auf der linken Seite in der Krone fehlt eine Gabel sowie ein weiteres Ende. So verbleiben 14 Enden. Außerdem ist der Stangendurchmesser stark. Aufgebrochen bringt mein Hirsch 310 Kilogramm auf die Waage.


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Ein jüngerer Rothirsch mit Tier und Kalb auf einer Freifläche vor dem Grenzzaun zu Ungarn (Bild: Dieter Kronenberg)


Neues Glück?


Nachmittags geht’s erneut raus. Mir wird eine kleine Eisenkanzel auf einer Lichtung in einem Robinienwald zugewiesen. Mein Fahrzeug parke ich 250 Meter vor dem Sitz auf einem Waldweg. Beim Angehen melden Hirsche aus verschiedenen Richtungen im Bestand. Der Laubvorhang ist jedoch zu dicht, sodass ich nichts orten kann. Kurz nachdem ich den Sitz bestiegen habe, springen zwei Rotwildkälber auf die Lichtung, ein Alttier folgt.
Die jungen Raufbolde testen ihre Kräfte. Einer unterliegt meist im spielerischen Kampf. Er ist wesentlich schwächer, aber schneller und voller Lebensfreude. Dann landet ein Bussard auf der gegenüberliegenden Seite und erbeutet dort eine Maus. Die zwei Übermütigen eilen dorthin und vertreiben den Mäusejäger. Dann kehren sie stolz zu dem Alttier zurück. Ein köstliches Schauspiel!
Der Trupp geht kurz darauf ab, als hinter mir im Bestand Äste brechen. Dort orgelt ein Hirsch mit tiefem Bass. Er ist maximal 30 Meter entfernt, bleibt jedoch hinter dem Blättervorhang verborgen. Mein Puls steigt, aber der Hirsch tritt nicht aus. Dann wechseln Schmaltier, Alttier mit Kalb und ein Jährlingshirsch vor meinem Fahrzeug über den Waldweg, verhoffen und sichern kurz in den Bestand zurück, in dem der Hirsch weiterhin Äste malträtiert. Nach Erlöschen des Büchsenlichtes baume ich ab.
Auf dem Weg zum Auto sowie in Gedanken versunken, höre ich einen Schuss von der Feldkante. Günther aus Österreich hat einen uralten zurückgesetzten Hirsch erlegt. Am Jagdhaus meint er, dass er solch einen Alten noch nie gesehen, geschweige denn erbeutet habe. Derartige Gedanken kommen erst, wenn der Hirsch vor einem liegt. Und die jagdliche Anspannung weicht der Ehrfurcht vor dem Geschöpf. Jeder weidgerechte Jäger kennt dieses Gefühl der Ergriffenheit nach einem solchen Erlebnis.


An der Grenze zu Ungarn


Am nächsten Morgen treffen wir uns um 4.30 Uhr wieder im Revier. Ich pirsche in Richtung der Kanzel, von der ich im September vor zwei Jahren meinen ersten Hirsch in diesem Revier erlegte. Von dort hat man einen Blick auf den ungarischen Grenzzaun, der in einer Entfernung von 400 Metern die Landschaft durchschneidet. Vor der Kanzel bis zu dem Zaun befindet sich ein abgeerntetes Rübenfeld. Am Wegesrand wächst 1,50 Meter hohes Unkraut, das mir Deckung bietet. Auf der Feldfläche steht bereits Rotwild. Ich pirsche geräuschlos weiter, als mich plötzlich wenige Meter neben mir am Wald-rand Alttier mit Kalb beäugen. Sie verschwinden ebenso rasch und geräuschlos, wie sie erschienen sind.
Ich pirsche weiter bis zur Kanzel und besteige sie vorsichtig. Rotwild ist nicht mehr auf der Feldfläche. Ob sie Wind bekommen haben? Aber schon nach wenigen Minuten taucht aus dem aufsteigenden Dunst am Grenzzaun ein Rudel auf, etwa 30 Stück. Und rechts aus dem Wald tritt zeitgleich ein Hirsch mit elf Stück Kahlwild sowie einem geringen Beihirsch auf die Fläche.
Bei dem 30er-Trupp ist ein reifer 14-Ender vom zehnten/elften Kopf. Beide Rudel ziehen aufeinander zu. 170 Meter vor mir treffen sie aufeinander. Die Platzhirsche kämpfen gegeneinander. Nach kurzem Gerangel wenden sich beide jeweils ihrem Rudel zu und ziehen in unterschiedliche Richtungen ab. Es ist ein herrlicher Anblick, als hinter dem Rotwild langsam die Sonne aufgeht und die Schneise beleuchtet. Diesen atemberaubenden Moment im Gegenlicht fange ich mit meiner Kamera ein.
Langsam zieht Rotwild in den dichten Akazienwald. Aber langweilig wird es nicht, denn auf der abgeernteten Feldfläche wechseln zwei Alttiere, ein Kalb, ein Schmalspießer sowie vier Junghirsche an, um in dem angrenzenden Dickungsbereich Schutz zu suchen. Ein Schakal tut dies in einer Krautinsel auf der abgeernteten Fläche. Meiner Kamera bieten sich wunder- bare Motive. Ich genieße diese phantastischen Szenen vor mir. Soviel Anblick hatte ich noch nie während eines Ansitzes und obendrein traumhafte Lichtverhältnisse.
Zum Jagdhaus zurückgekehrt, liegen dort drei starke Hirsche. Meine Jagdfreunde Dorothee, Joachim und Ehrenfried haben Beute gemacht. Abends erlegt mein Jagdfreund Robert den reifen 14-Ender, welchen ich morgens fotografiert hatte. Und Peter aus Österreich auch zwei Brave. Den stärksten Hirsch schoss Robert – 216,7 internationale Punkte. Mein Hirsch mit dem kampfgeschundenen Geweih kommt auf 199,04.
 

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er Hirsch des Verfassers bringt es auf199,04 Internationale Punkte (Bild: Dieter Kronenberg)

Infos

 
Einen alten, reifen Hirsch während der Brunft zu zu erbeuten, ist sicher ein Traum (fast) jeden Weidmanns. Vielfach scheitert der Wunsch an hohen Preisen. Wer sich jedoch mit einer Trophäe bis zur Bronzemedaille, sprich bis acht Kilogramm, begnügt, bezahlt dafür rund 3.000 Euro Abschussgebühr.
Rotwild kommt fast überall in Kroatien vor, vom bergigen Westen bis in die Ebenen des Tieflands entlang der Flüsse Drau und Sava im Osten des Landes. Die Mehrzahl der Reviere ist mit Eichen- und Birkenwäldern bestockt. In der Regel wird gepirscht. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, vom Hochstand aus zu weidwerken. Der Gastjäger wird normalerweise durch einen kundigen Berufsjäger geführt. Die Rotwildbrunft erstreckt sich vom 1. September bis zur Monatsmitte.
 

Autor: Dieter Kronenberg