08.10.2023
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8 Min

Schottland

Entspanntes Jagen

Die Schönheit der rauen, wilden sowie einsamen Natur, gepaart mit dem Luxus einer komfortablen Unterkunft. Kahlwild-Jagd vom Feinsten.

Entspanntes Jagen

Bild: Selena Barr

Die Jagd auf einer unbewohnten Insel am Rande des Atlantischen Ozeans hat etwas Magisches. Etwas, das ein urzeitliches Gefühl von purem Abenteuer weckt. In Schottland gibt es rund 140 unbewohnte Inseln. Allerdings verfügt lediglich eine von ihnen über eine Rotwild-­Population, und zwar Taransay.
 
Die winzige, abgelegene Insel der Hebriden ist seit 1974 unbewohnt und dahin­gehend die größte Insel Schottlands. Sie ist etwa 3.500 Hektar groß und beherbergt ungefähr 200 Stück Rotwild. In den frühen 1980er-Jahren wilderte der damalige Besitzer der Insel zehn Alttiere und zwei Hirsche aus, um eine Nahrungsquelle für seine Familie zu schaffen. Die heutige Population zeichnet sich durch gutes Körpergewicht aus. Die Trophäen-­Qualität hingegen ist durchschnittlich. Es gibt aber auch einige Kronenhirsche.
 
Berühmt geworden durch die BBC-Serie Castaway 2000, wurde die trostlose, baumlose Insel Teil des Borve Lodge Estate, als sie der Pharma-Magnat Adam Kelliher 2011 für angeblich zwei Millionen Pfund kaufte. Das Eiland ist unberührt, besitzt malerische Strände, hügelige Wiesen, gigantische Felsen sowie zahlreiche archäologische Stätten.
 
Die Insel wurde vor etwa 10.000 Jahren besiedelt und hat einen festen Platz in der keltischen, heidnischen Folklore. Im Laufe der Geschichte war sie Schauplatz erbitterter Schlachten, darunter das Massaker von Taransay im Jahr 1544, als die Morrisons of Lewis einfielen. Früher gab es auf Taransay drei Dörfer, aber die Bevölkerung schrumpfte, und die letzte verbliebene Familie zog 1974 aufs Festland, als die Insel hauptsächlich für Schafweiden genutzt wurde.

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Mit dem Landungsboot geht es übers Meer, um die Insel Taransay zu erreichen. Auch das Argo darf nicht fehlen! (Bild: Selena Barr)
Bei meinem Besuch übernachte ich in der Borve Lodge, einem vornehmen Haus mit neun Schlafzimmern auf der Nachbarinsel Harris, das kürzlich unter der Leitung der eleganten Londoner Innenarchitekten Beaumont Interiors komplett renoviert wurde. Eine Fünf-Sterne-Luxusunterkunft, die man an so einem Ort nicht erwarten würde. Als Mitglied der Scottish Country Sports Tourism Group verfügt die Borve Lodge über einen eigenen Koch und eine Haushälterin. Sie bietet Platz für bis zu 14 Personen. Zum Anwesen gehören außerdem vier Cottages zur Selbstverpflegung. Zwei sind traditionelle Inselwohnungen, die anderen beiden hochmodern mit Schlafzimmern, die man gesehen haben muss – ideal für romantische Kurzurlaube!
 
Die Anreise nach Harris ist einfach. Es gibt zwei Möglichkeiten: Flug nach Stornoway auf der Isle of Lewis oder mit dem Auto über die Isle of Skye und dann mit der Fähre.
 
Faszinierende Tierwelt
Rotwild auf der Isle of Taransay nachzustellen, könnte eine meiner schönsten Jagd­erfahrungen sein. Um die Insel zu erreichen, besteigen wir das Landungsboot des Anwesens. Dessen Name: The Verley Anne. Dieses ziemlich exzentrische Schiff, ein Überbleibsel aus dem Falklandkrieg, hat sicherlich den inneren Entdecker in mir geweckt.
 
Wir beladen das Argo mit Jagdhund und Büchse, um kurz darauf ins Jagdgebiet zu starten. Unterwegs begegnen uns allerhand einheimische Wildtiere. Darunter Papageientaucher, Robben und ein Stein­adler. Nach einigen arbeitsreichen Monaten war ich bereit, die Büroluft gegen saubere Hebriden-Luft einzutauschen, die Wildnis ebenso zu genießen wie die Einsamkeit, um meine Batterien wieder aufzuladen.

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An der schottischen Westküste zu jagen, ist schon etwas Besonderes. Auf einer Insel noch viel mehr ... (Bild: Selena Barr)
Die Zeit hat diesen Teil der Welt vergessen. Die Inselbewohner sind orthodoxe Presbyterianer. Das bedeutet, dass sie sonntags praktisch alle Tätigkeiten einstellen. Ein großer Teil der Bevölkerung geht jede Woche in die Kirche. Die Bewohner fahren an diesem heiligen Tag kein Auto, ziehen ihre Vorhänge nicht zu und hängen keine Wäsche auf. Ich selbst bin Atheist, kann damit also wenig anfangen. Jedoch wirkt sich das langsame Tempo und die Ruhe angenehm erholsam auf den Seelenfrieden aus.
 
Ab auf die Insel
Vom Landungsboot auf den weißen Sand zu schreiten, ist ein Erlebnis für sich. Isoliert von der Menschheit und umgeben von Wildtieren. Ich fühle mich wie der Entdecker Captain Cook oder Tom Hanks in Cast Away.
 
Die Insel haben der Ghillie und ich den ganzen Tag für uns alleine. Der Plan ist, ein oder zwei Stück Kahlwild mit meinem neuen Gewehr zu erbeuten. Ich versuche, den ablenkenden, weitreichenden Blick hinüber nach Harris zu ignorieren, und konzentriere mich darauf, Rotwild auszumachen.
 
Da die Hirschsaison endgültig vorbei ist, wird es umso schwieriger sein, Geweihte anzupirschen. Die Jagd auf einen einzelnen Hirsch, der von einem dominanteren Rivalen aus einem Rudel vertrieben wurde, ist schwierig genug. Sich an ein Dutzend sichernder Alttiere heranzupirschen, erfordert allerdings noch etwas mehr.
 
Ich suche das Gelände nach aufblitzenden Rotwild-Spiegeln ab. Plötzlich wird mein Blick von einem großen Rudel angezogen, das etwa 40 Stücke zählt und just über einem Hügel verschwindet. Zwei Geweihte unter ihnen kämpften miteinander, was das Rudel nervös werden ließ. Zumindest schien es mir so.

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Am erlegten Alttier. Der Ghillie (links) neben der Autorin und ihrem BGS Gretel (Bild: Selena Barr)
Nun außer Sichtkontakt, beschließe ich, mich unter Deckung dem Wild zu nähern. Mit dem Wind im Gesicht krieche ich bäuchlings einen kleinen Hügel hinauf, um das Rudel auf der anderen Seite − nun deutlich näher − zu betrachten. Weiter geht es bäuchlings durch Grasbüschel, in denen es vor Losung nur so wimmelt. Wenig später trennen mich nur noch 150 Meter vom Wild. Dieses wirkt nun entspannter als zuvor. Ich bin überrascht, immer noch Hirsche beim Kahlwild stehen zu sehen. Aber vielleicht brachte das warme Wetter im Oktober die Brunft etwas durcheinander. Linkerhand mit reichlich Abstand zum Haupt-Rudel äst ein kleiner Trupp Kahlwild vor sich hin. Darunter ein offenbar nicht führendes Alttier, das im Hintergrund die Chance für einen sicheren Schuss bietet.
 
Ich klappe mein Zweibein aus und positioniere das Gewehr. Der Blick durchs Zielfernrohr zeigt ein nach wie vor entspanntes Rudel. Ich kann mir also Zeit lassen. Der Ghillie weist mich an, das auserkorene Alttier im Hintergrund zu schießen, während er das restliche Rudel durchs Fernglas beobachten möchte. Ich warte, bis es vollkommen breit steht, und setze seine Anweisung in die Tat um. Im Schuss bricht es zusammen. Ich lade nach und beobachte das restliche Wild, das verunsichert verhofft, ohne zu wissen, woher die Gefahr kommt.
Doch irgendwann zieht das Rudel weg. Ich schnalle meinen BGS Gretel zur Frei-verloren- Suche. Stolz zeigt sie uns das längst verendete Alttier. Ich schleppe es über den Hügel zurück zum Argo, bevor ich es auf das Boot lade. Borve Lodge hat das Ziel, pro Saison 20 Stück Kahlwild und 10 Hirsche zu erlegen. Da passte dieses betagte Alttier gut in den Management-Plan.
 
Nach einem anstrengenden Jagdtag auf dem Hügel wünscht sich jeder Jäger ein heißes Bad. Die Borve Lodge verfügt über sieben tiefe freistehende Badewannen sowie einen luxuriösen Whirlpool. Hat man ein Bad in einer dieser Wannen hinter sich, kann es im Anschluss eigentlich nur eines geben: einen Whiskey vorm knisternden Kaminfeuer im stilvollen Salon.
 
Irgendwie weiß ich, dass die lange Fahrt nach Hause nicht halb so schön sein wird, wie die Fahrt in die andere Richtung. Daher plane ich bereits meine Rückreise. Eine Tagesjagd auf einen Hirsch auf Taransay kostet 500 Pfund pro Pirschgang. Der Preis beinhaltet den Transport von der Lodge zur Insel sowie ein leichtes Mittag­essen. Weitere Infos: www.borvelodge.com.

Autor: Selena Barr