30.08.2023
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WUH
Ausgabe 19/2023
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4 Min

Heinz Weidt wird 80

Ein Leben für den Hund

Der Verhaltens- und Hundeexperte Heinz Weidt wird am 10. September 80 Jahre alt. Auf seinem langen Weg hat er viel zum besseren Verständnis des Verhaltens unserer Hunde und zur Verbesserung eines tiergerechten Umgangs mit ihnen beigetragen. Jolanda Giger

Ein Leben für den Hund

Bild: Dina Berlowitz

Wo kommen Wesensmängel her und wie können sie vermieden werden? Diese 2 Fragen stellte sich Heinz Weidt in den 1970-ern als junger Jagdhundeführer. Gemäss seinem Naturell bemühte er sich um ein grundlegendes Verständnis von Zusammenhängen und vertiefte sich als Autodidakt in die Verhaltensbiologie – einer Disziplin zu deren prominentesten Vertreter Konrad Lorenz und Bernhard Hassenstein gehörten. Auch durch intensive Gespräche mit diesen beiden Wissenschaftlern gelangte Heinz Weidt bei seiner Suche nach der Antwort auf die grundlegenden Fragen nach dem Wesen des Hundes immer mehr ins Detail und in immer neue Wissensgebiete. Ihm gelang die Vernetzung von Verhaltensbiologie, Psychologie, Neurobiologie, Genetik und Epigenetik. Daraus entstanden zahlreiche praxistaugliche Konzepte, die heute in unserem Hundewesen schon so verbreitet sind, dass deren Ursprünge oft nicht mehr bekannt sind.
1978 entwickelte Heinz Weidt das Konzept der Prägungsspieltage (heute oft vereinfacht Welpenspielgruppen genannt) und publiziert es erstmals 1983 in der Zeitschrift „Der Jagdgebrauchshund“. Er erkannte, dass mehrere Aspekte in der Wesensentwicklung des jungen Hundes eine wichtige Rolle spielten: Zum einen war das die Prägungsphase, also jene ersten 12 bis 16 Wochen höchster Lernbereitschaft, in denen der Hund fürs Leben lernt. Zum anderen gehört dazu das Spielen, besonders mit gleichaltrigen Artgenossen, die die natürlichen Anlagen des Hundes auf bestmögliche Weise zur Entfaltung bringen. Auch das so wichtige, in der Wurfgemeinschaft begonnene innerartliche Lernen mit Artgenossen des gleichen Entwicklungsstandes wird in den Prägungsspieltagen weitergeführt.

Hundeverhalten richtig verstehen
Durch seine genaue Beobachtungsgabe auch für anscheinend unauffälliges, aber bedeutungsvolles Verhalten, sein vertieftes theoretisches Wissen der Verhaltenswissenschaften und dem stetigen Hinterfragen auch etablierter Sichtweisen, gelang es ihm, weit verbreitete Missverständnisse in der Kynologie aufzudecken und richtig zu stellen. Bspw. die Taxierstellung, die so oft als Spielaufforderung falsch verstanden wurde und eben nicht der Aufforderung zum Spiel dient. Diese Körperhaltung bietet die besten Voraussetzungen, das Gegenüber einschätzen und entsprechend ­reagieren zu können. Auch signalisiert bspw. das Rutenwedeln eines Hundes nicht zwingend Freundlichkeit, sondern ist laut Weidt lediglich das äussere Zeichen innerer Erregung. Vor allem für die Ausbildung von Hunden in jeglichen Aufgabengebieten wurde das „Früh­warnkonzept zur Erkennung und Vermeidung umweltbedingter Verhaltensstörungen“ ein hilfreiches Mittel. Damit können die Anzeichen einer psychischen und physischen Überforderung eines Hundes frühzeitig und zuverlässig erkannt und die Ausbildungsschritte dementsprechend angepasst werden. Diese Anzeichen hat er zusammengefasst und als Konfliktreaktionen bezeichnet.

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Wieso leckt ein Hund über seine Nase? Mit dieser und vielen weiteren Fragen beschäftigte sich Kynologe Heinz Weidt. (Bild: Jolanda Giger)

 
Sichere Bindung – sicheres Wesen
1997 entwickelte Heinz Weidt zusammen mit Dina Berlowitz einen zuverlässigen Bindungstest für Hunde – auf der Grundlage der Arbeiten von John Bowlby und Mary Ainsworth. Schon in seinem 1989 erschienenen Buch „Der Hund mit dem wir leben“ wies er auf die Bedeutung einer sicheren Bindung für die Wesenssicherheit des Hundes hin. Aber erst nach der Veröffentlichung dieses Bindungstests und der dazugehörigen Publikation „Sichere Bindung – sicheres Wesen“ begann die Kynologie von diesem wichtigen Aspekt der Hund-Mensch Beziehung Kenntnis zu nehmen. Dass in der Jagdhundeausbildung viel zu Gunsten des Hundes verändert werden konnte und musste, war Weidt früh klar. Im Laufe seiner kynologischen Tätigkeit vertiefte er sich aber auch in viele andere Arbeitsbereiche des Hundes. Vor allem in der Aufzucht und Ausbildung von Blindenführhunden hat er tiefe Spuren hinterlassen.
 

Keine Genetik ohne Epigenetik
1983 veröffentlichte Weidt einen Artikel zur Wesensentwicklung des Hundes. Seine Aussage „Die Umwelt hat ihre Hand am genetischen Schalter“ sollte ca. 20 Jahre später durch bahnbrechende Studien des neuen Wissenschaftszweiges der Epigenetik klar vor Augen führen, dass sich das Wesen eines Hundes durch das Zusammenspiel der genetischen Anlagen mit der Umwelt entwickelt. Seit 2003 referieren sowie publizieren er und Dina Berlowitz zu diesem Thema, das so manches fest verankerte „Wissen“ in der Kynologie ins Wanken bringt. Dass Pionierarbeit nicht immer nur Freude auslöst, musste Heinz Weidt zur Genüge erfahren. Trotz allen Widrigkeiten ist er beharrlich seinen Weg gegangen und hat sich all die Jahre nicht in seinem Wirken entmutigen lassen.

Autor: Jolanda Giger