04.08.2023
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RF
Ausgabe 03/2023
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11 Min

RF Praxis

Die unterschätzte Fangfarbe

Weiße und ähnlich getönte Kunstköder gelten oftmals als Ladenhüter. Völlig zu Unrecht, denn im Vergleich zu anderen Farben schneiden sie überraschend gut ab und sind beim Spinnfischen auf unterschiedliche Räuber nicht selten eine Bank, wenn man sie richtig einsetzt. Text und Fotos: Wolfgang Schulte

Die unterschätzte Fangfarbe

Bild: Wolfgang Schulte

Beim modernen Spinnfischen mit hellen oder rein weißen Soft- und Hardbaits lassen sich immer wieder gute Erfolge erzielen. Auch die Kombination „Weiß/Glitter“ ist nicht selten eine echte Geheimwaffe. Nachfolgend dazu einige konkrete Beispiele aus der Praxis, die das breite Einsatzspektrum auf unterschiedliche Zielfischarten veranschaulichen.

Am 21. August 2022 ist Oliver Schäfer, ein mir gut bekannter Angler, im Dunkeln mit Baitcasterrute und Boot auf einem heimischen See unterwegs. Er probiert es dort pelagisch auf Zander, Hecht & Co. Als Köder fischt er in dieser Sommernacht ein hochbewegliches Muster, den „Virus“ von FISH Impact in 19 Zentimetern Länge. Fer-tig montiert mit einem Schraub-Jigkopf (Silber) und 2/0er Quantum-Claw-Drilling wiegt der Köder 79 Gramm. Weil das Wasser sehr klar ist, fällt die Wahl auf die Farbe Weiß mit etwas Glitter. Die seitlichen Flossensäume des Gummifisches sind fast durchscheinend. Sie wurden hinten beidseitig ein Stück vom Korpus abgetrennt. So flattert der „Virus“ bei langsamer Führung noch lebendiger.

Plötzlich entdeckt Oliver auf dem Echolot etwa 15 Meter entfernt im Freiwasser auf vier Metern Tiefe einen großen Raubfisch, der unter einem Kleinfischschwarm lauert. Er wirft ihn an, und der Räuber lässt sich nicht lange bitten. Gegen 1 Uhr 30 erfolgt der brutale Biss. Auch der Drill hat es in sich. Aber der Großzander hängt sicher und kann einige Zeit später mit einem XXL-Kescher sicher gelandet werden.

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Oliver Schäfers gewaltiger Zander maß stattliche 97 Zentimeter bei fast 40 Zentimeter Höhe! (Bild: Wolfgang Schulte)


Angesichts der Länge und vor allem der Breite dieses Kapitalen verschlägt es selbst dem erfahrenen Raubfischangler die Sprache: Nur drei Zentimeter fehlen bis zur magischen Metergrenze. Später ergibt eine Analyse der Bilder, dass dieser Fisch an der breitesten Stelle zudem fast 40 Zentimeter hoch gewesen sein muss! Aber nicht nur beim pelagischen Spinnfischen zieht die weiße Köderfarbe.
Dropshotten auf Zander
Ich kenne eine ganze Reihe von Zander-fischern, die sich schon seit vielen Jahren auf das Dropshot-Angeln mit hochflexiblen, schlanken V-Tail-Softbaits spezia-lisiert haben. Vor allem ufernahe, tiefe Flussabschnitte, die neben der Haupt-strömung liegen, lassen sich damit gut abfischen. Wenn dazu noch Kanten den Gewässergrund strukturieren, sind hin und wieder auch vom Ufer aus Groß- zanderfänge möglich.

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Darauf biss der Kapitale: ein „Virus“ von FISH Impact. Weil das Wasser sehr klar war, wählte der Fänger diesen weiß gefärbten Gummi aus. (Bild: Wolfgang Schulte)


Bekanntermaßen kann der Zander durch seine extrem lichtempfindlichen „Nacht-augen“ im Dunklen sehr effizient jagen. Seine Sehorgane nehmen aber nicht nur Grün, Gelb und Orange, sondern auch Kontraste bestens wahr. Dies mag der Grund sein, warum sowohl dunkle als auch sehr helle Gummifische vor allem in der Dämmerung und nachts immer wieder erfolgreich sind. Am Rhein südlich von Bonn zählen zum Beispiel weißlich-transparente Super-Soft-No-Action-Shads mit kräftigem Glitter-Anteil zu den Topködern. Ist das Wasser angetrübt, fangen sie bisweilen auch tagüber. Wie schon erwähnt, fischen wir sie mittels Dropshot-Montage: Bei steil aufrechter Rutenhaltung sind dabei eine langsame Köderführung und wiederholtes, leichtes Zupfen mit der Rutenspitze probate Mittel, um den Zander zum Anbiss zu reizen.

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Zu den hellen No-Action-Gummifischen mit V-Tail sowie hohem Weiß- plus Glitteranteil zählen der Carolina Shad S 4,5“ von Jenzi (o.) und der Quantum Q-FISH 13 von Mann‘s (u.). (Bild: Wolfgang Schulte)

Mit Hardbaits auf große Rapfen

Rapfen entpuppen sich in ihrem Verhalten nicht selten als „Überraschungspakete“. Waren sie gestern noch an einem Spot aktiv, scheinen sie kurz darauf spurlos verschwunden zu sein. Etwas Licht ins Dunkel brachte vor einiger Zeit der Bio- loge Frank Fredrich durch ein Forschungsprojekt an der Elbe. Insgesamt 53 Rapfen wurden dort elektrisch abgefischt und mit Radio-Transmittern besendert. Die nach fachgerechter Betäubung implantierten kleinen Sender ermöglichten nach dem Zurücksetzen der Fische deren manuelle Ortung mittels einer Radio-Antenne. Dabei zeigte sich, dass einige der Rapfen erstaunlich mobil waren. Einer schwamm zunächst zügig stromauf. Pro Flusskilometer brauchte er dabei jeweils nur sieben bis acht Minuten. Dann verweilte er in einem Buhnenfeld und wanderte danach wieder stromab. Ein anderer zog aus dem Tidebereich der Elbe über eine Fischtreppe oder Schleuse erstaunliche 166 Flusskilometer stromauf in ein potenzielles Laichgebiet mit Kiesgrund. Dies macht deutlich, dass strömungsliebende Süßwasser-Wanderfische wie der Rapfen viele Abschnitte eines Flusses nutzen und dabei mitunter große Distanzen zurücklegen.

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Silber auf Weiß: Wolfgang Schulte präsentiert einen dicken 72er Rapfen aus dem Rhein. Auch dieser Räuber nahm einen weißen Hardbait. (Bild: Wolfgang Schulte)


Die Körperkraft dieser Fische bekommt man auch beim Drill zu spüren. So geschehen am Rhein südlich Bonn am 13. Juli 2020, als bei einem Angelkollegen gegen 22 Uhr 30 auf den „Dream Catcher“ von Topwater Productions (Stickbait, 11 Zentimeter, 20,5 Gramm, Farbe Red Head) ein Rapfen der 90-Zentimeter-Klasse einstieg. Dieser Bolide gab sich erst nach einem bis heute unvergessenen Drill geschlagen. In der Dämmerung und tagsüber bei angetrübtem Wasser haben aber auch helle Wobbler wie der Arnaud 100F von Illex (10 Zentimeter, 16 Gramm, Farbe Bone) Killerqualitäten. Dabei gilt es, besonderen Wert auf erstklassige Haken zu legen: Im Drill oder bei der Landung werden minderwertige Drillinge von großen Rapfen mühelos geschrottet. Daher sollte man diese lieber rechtzei- tig gegen stärkere, chemisch geschärfte Modelle, zum Beispiel die von Fox Rage oder Gamakatsu, ersetzen.

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Topwater Productions hat mit dem rot-weißen „Dream Catcher“ einen guten Stickbait vor allem für Rapfen herausgebracht. (Bild: Wolfgang Schulte)

Mit Softbaits im Meer auf Pollack

Seine XL-Sehorgane und sein markantes Maul lassen kaum Zweifel aufkommen: Der Pollack ist ein rabiater Augenjäger. Daher entgeht ihm auch in der Dämmerung ein heller Köder nur selten. Steigen diese Fische auf unser Köderangebot ein, zum Beispiel den Savage-Gear-Sandeel oder Westin-Sandy-Andy in Weiß, bekommen wir ihre enorme Kraft zu spüren. Die Stärke des FC-Vorfachs sollte daher mindes-tens 0,40 Millimeter betragen.

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Den großen Pollackaugen entgeht in der Tiefe nur selten ein heller Köder. (Bild: Wolfgang Schulte)


Hat man in Norwegen am felsigen Fjordufer eine produktive Steilwand ausgemacht, beißen die kampfstarken Pollacks dort mitunter im Minutentakt. An zugänglichen Stellen ist dazu kein Boot nötig. Doch es sind einige Dinge zu beachten: Die Fjorde haben vor allem in den hinteren Abschnitten im Sommer oft starke Süßwasserzuflüsse. Oberflächlich überwiegen dann Süß- und Brackwasser. Nach dem Wurf lässt man den Köder an solchen Spots deshalb in die darunter liegende Salzwasserschicht sinken. Das kann stellenweise ein, zwei oder mehrere Minuten dauern. Im mittleren Abschnitt des Hardangerfjords, den wir 2022 besucht haben, fielen die Unterwasser-Steilwände häufig auf 30 oder 50 Meter und mehr ab. In der graugrünen Tiefe sehen Pollack, Dorsch & Co. helle Köder vor allem an bedeckten Tagen und abends sehr gut. Darüber hinaus wurden die Sandaal-Gummifische in 13 Zentimetern Länge und 22 Gramm Gewicht auch von Plattfischen, darunter Flunder und Flügelbutt, sowie vom dort heimischen Grauen Knurrhahn genommen.

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Sandaal-Gumminachbildungen von Savage Gear mit Pollack-Kampfspuren. Hier die Farben „Sandeel“ (o.) und „Real Pearl“ (u.). Der Weiße ist vor allem an düsteren Tagen und in der Dämmerung top. (Bild: Wolfgang Schulte)

Gummi und Wobbler für Wolfsbarsche

Wolfsbarschdrills machen süchtig. Denn in Relation zur Körpergröße gibt es in Europa keinen stärkeren Fische, als diese muskulösen Silberbarren. Selbst kleinere Exemplare bringen richtig Druck auf die Rute. Beißt jedoch ein Großer, kann jede Schwachstelle fatale Folgen haben. Also bitte Vorfach und Knoten gründlich prüfen, 0,35 bis 0,40 Millimeter starkes Fluorocarbon ist anzuraten.

Da es an der Nordseeküste häufig windig ist, präsentiert sich das Meerwasser dort nur selten klar. Aufgewirbelte Schwebstoffe können die See, etwa rund um Inseln, zeitweise so stark eintrüben, dass man seine Spinnrute in die Ecke stellen kann. Für die übrige Zeit gilt jedoch: Weiße Köder sind oft Trumpf. Viele „Wölfe“ werden bei ablaufendem Wasser gelandet, doch bei auflaufender Flut habe ich stellenweise auch gefangen.

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Wolfsbarsch-Top-Spot: Strandbuhne auf einer Nordseeinsel. Und auch hier ist man mit weiß gefärbten Gummifischen oder Wobblernbestens bedient. (Bild: Wolfgang Schulte)


Mein Köder-Favorit ist der hochbewegliche Black Minnow 120 Shore Nr. 3 von Fiiish in der 12 Gramm schweren und 10,5 Zentimeter langen Version. Sein Offset-Haken produziert wenig Hänger an Tang und Steinen. In den Niederlanden (am Europort Rotterdam, Neeltje Jans, etc.) wird er seit Jahren gefischt und füllt inzwischen auch hierzulande viele Köderboxen. Ein weiterer „Wolfsbarschkiller“ ist der weiße Kopyto von Relax in der Größe 3“, was 7,5 Zentimetern entspricht. An Nordseeinsel-Hotspots, dazu zählen etwa Strandbuhnen und Molen, fische ich den Kopyto je nach Stärke der Strömung meist mit einem 10, 18, oder 25 Gramm schweren Jigkopf. Darüber hinaus haben sich beim Wolfs-barschangeln auch Wobbler bestens bewährt. Zu meinen Top-Mustern zählen der Ikiru Silent Jerk 95 von Spro in 9,5 Zentimeter Länge, 15 Gramm Gewicht und der Farbe „Shirasu“. Ebenfalls sehr empfehlenswert: der 11 Zentimeter lange und 13 Gramm wiegende Rapala Maxrap 11 in der Farbe „Flake Purple Ghost.“ Trotz zahlreicher Alternativen mit heller Unterseite und silbrigen Flanken lautet vor allem in der Dämmerung und trübem Wasser das kurze Spinnangler-Fazit: Weiß fängt - und wie!

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Der Rapala Maxrap 11 in der Farbe „Flake Purple Ghost“ (o.) und der Ikiru Silent Jerk 95 von Spro im Dekor „Shirasu.“ (Bild: Wolfgang Schulte)

 

Autor: Wolfgang Schulte