Der Bolmen ist ein Naturparadies mit tiefem, orange-braunen Wasser, wundervoll gefärbten Zandern und ewigen Weiten. Text und Fotos: Sebastian Hänel
Schweden lässt Anglerherzen höher schlagen. Darüber sind sich wohl alle einig. Weniger Einigkeit besteht darin, dass sich im Land der tausend Seen hervorragende Sternstunden beim gezielten Zanderangeln erleben lassen. Das ist nicht verwunderlich, da die meisten Gewässer des Nordens eher für ihre üppigen Barsch- und Hechtbestände bekannt sind. Doch es gibt sie, die wahren Zanderperlen. Große, trübe Seen, die für ihre guten Bestände bekannt sind. Einer von ihnen ist der Bolmen. Der elftgrößte See Schwedens ist weit über die Landesgrenzen hinaus als außerordentliches Zanderrevier bekannt. Einer Sage nach hat der bis zu 37 Meter tiefe See 365 Inseln, von denen die größte Bolmsö ist. Auf dieser habe ich meine letzten drei Sommer verbracht und mich intensiv mit dem Zanderangeln inmitten dieses malerischen Naturidylls beschäftigt.
Mit Boot im Vorteil: Aufgrund der großen Wasserfläche sollte man sich einen schwimmenden Untersatz mieten. (Bild: Sebastian Hänel)
Fakt ist: Ohne Boot ist man aufgeschmissen. Vom Ufer aus sind Fänge höchstens im Sommer beim Nachtangeln möglich. Dann ziehen die Zander auch in Ufernähe ihre Bahnen und kommen an der Fähre im Nordwesten oder bei der Brücke nach Bolmsö im Osten des Sees in Wurfweite. Die Ufer des Sees fallen in der Regel recht flach und steinig aus und sind darüber hinaus schlecht begehbar. Leihboote mit sehr einfacher Ausstattung sind bei einigen Ferienhäusern im Preis inbegriffen. Wer es allerdings richtig wissen will, der reist mit eigenem Boot an. Bei 173,19 Quadratkilometern Wasserfläche braucht man schlichtweg einen gut motorisierten Untersatz. Auch aus Sicherheitsgründen macht das Sinn, denn bereits ab drei Windstärken kann es schnell ungemütlich, wenn nicht sogar gefährlich werden. Der Bolmen produziert eine dunkle, kurze und vor allem hohe Welle, die schon einigen Wassersportlern das Fürchten lehrte.
Erst laichen lassen: Sebastian fährt im Juli regelmäßig an den großen See. Auch Guidinggäste kommen hier voll auf ihre Kosten. (Bild: Sebastian Hänel)
Ein Zanderparadies
Apropos dunkel: Das Geheimnis der zahlreich im See vorkommenden Zandern liegt am dunklen Wasser, welches das Aufkommen der empfindlichen Zanderbrut besonders begünstigt. Durch umliegende Nadelwälder werden Huminstoffe über die Zuläufe eingetragen. Im Norden des Bolmen liegen außerdem großflächige Hochmoore, deren Humus teilweise in Torfstichen abgebaut wird. Diese aufgewirbelten Schwebstoffe sind sehr nährstoffreich und so leicht, dass sie sich kaum setzen. Hervorragende Voraussetzungen für eine sehr gute Zanderpopulation.
Produktives Zanderrevier: Viele Nährstoffe, trübes Wasser und eine abwechslungsreiche Struktur. Kein Wunder, dass der Fischzähler schnell zweistellig anzeigt. (Bild: Sebastian Hänel)
Doch der Bolmen war nicht immer so trüb. In den 70er bis 90er Jahren war das Wasser deutlich klarer und der See eher für seinen Hechtbestand bekannt. Sogar Lachse gab es im See, die über den im Süden gelegenen Fluss Bolman ihren Weg ins große Wasser fanden. Im Nordteil ist der Bolmen durch die Huminstoff-Einträge der Zuläufe am trübsten. Dort befindet sich auch das Laichgebiet der Zander. Einheimische berichten von wahren Zandermassen, die sich zwischen April und Mai im drei bis fünf Meter flachen Wasser sammeln.
Erfolgreich Im Sommer
Um die Fische bei der Reproduktion nicht zu stören, bleibe ich dem See zu dieser Zeit fern und reise erst später im Juli an. Dann befinden sich die meisten Zander im mittleren Bereich des Sees im Freiwasser. Die Wohlfühltiefe beträgt am Tag meistens sechs bis acht Meter über 16 bis 25 Meter tiefem Wasser. Wer über eine gute Seekarte wie Navionics oder Active Captain von Garmin verfügt, kann sich auch via mobi-ler App und einem Leihboot gut auf den Strukturen bewegen und findet interessante Gebiete schnell und sicher. Das Angeln im Freiwasser bedarf viel Geschick und guter Echolottechnik. Wer damit noch keine Erfahrung hat, dem sei das langsame Schleppangeln zur Abenddämmerung empfohlen. Die Zander steigen mit schwindendem Licht etwas auf und lassen sich in Tiefen von drei bis vier Metern prima mit geschleppten Wobblern überlisten.
Mit dem eigenen Boot ist man auf der sicheren Seite, nicht nur was die Motorisierung anbelangt. Gute Technik macht die Suche nach den Zandern bedeutend leichter. (Bild: Sebastian Hänel)
Ab Mitte August ändern sich die Gegebenheiten und die Zander stehen wieder vermehrt bei acht bis zehn Metern Wassertiefe knapp über dem Grund. Wer das richtige Gebiet erst einmal gefunden hat, kann sowohl beim Vertikalangeln als auch beim Wurfangeln mit Zandergummis wahre Sternstunden erleben. Die in neun Metern Tiefe liegenden Kanten vor Järanäs oder der Insel Lovö sind zu dieser Jahreszeit immer einen Versuch wert. Auch die Kanten des tiefen Freiwassers vor Toftö im Norden des Sees sind eine gute Wahl.
Zwölf bis 16 Zentimeter lange Zandergummis in gedeckten Farben bringen die besten Ergebnisse. (Bild: Sebastian Hänel)
Durch das hervorragende Brutaufkommen ist der Mittelbau der Population, wie in allen guten Zandergewässern, stark verjüngt. Das bedeutet, dass man im Schnitt eher kleinere Zander zu erwarten hat. Besonders beim Angeln an und vor den Kanten. Fische zwischen 40 und 55 Zentimetern machen den Großteil des Bestandes aus. Aber auch größere Exemplare bis knapp über 70 Zentimeter habe ich schon auf meinen am Grund geführten Zandergummi erwischt. Das sind aber eher Ausnahmefische.
Selten aber nicht unmöglich: Der Autor mit einem Traumfisch von 90 Zentimetern Länge. Er biss im Freiwasser in nur einem Meter Wassertiefe. (Bild: Sebastian Hänel)
Gezielt auf die Großen
Die besseren Zander halten sich im Bolmen fast alle deutlich über dem Grund auf. Sowohl allgemein über tieferem Wasser als auch über den Kanten. Daher ist das Schleppen oder das gezielte Anfischen einzelner Exemplare mittels Echolottechnik im Freiwasser das beste Mittel, um große Zander dingfest zu machen. Mein mit Abstand kapitalster Zander aus dem Bolmen maß stolze 90 Zentimeter. Er stand Mitte Juli über 18 Metern Wassertiefe nur einen Meter unter der Oberfläche und sonnte sich. Das Sidescan meines Echolots hat ihn mir zuverlässig angezeigt und ein flach durchgekurbelter, 16 Zentimeter langer Zandergummi brachte den unvergessenen Einschlag. In Anbetracht meiner zweit- und drittgrößten Bolmen-Zander von 81 und 78 Zentimetern tatsächlich ein echter Ausnahmefisch.
Den Goldschatz geborgen: Die markant gefärbten Stachelritter sind ein Aushängeschild des Bolmen. (Bild: Sebastian Hänel)
Für mich persönlich ist der Fang eines Goldzanders etwas ganz Besonderes. Denn manche Milchner bilden hier eine spezielle Pigmentierung aus. Die Fische mit orange-gelben Mustern auf dem Kopf, der Maulspitze und den Flossenrändern sind eine wahrlich imposante Erscheinung. Sie kommen nicht oft vor und pro Saison gelingt mir der Fang von ein bis zwei dieser außergewöhnlichen Exemplare.
Nicht nur Zander
Mit Beginn des Herbstes wandern die Zander noch tiefer und stellen sich am Tag in einer Wohlfühltiefe von ungefähr 13 Metern ein. Da ein waidgerechtes Angeln im späteren Jahresverlauf immer schwieriger wird, reise ich meist Mitte September wieder ab. Auch wenn das orange-braun schimmernde Wasser auf den ersten Blick stark angetrübt wirkt, beträgt die Sichttiefe immer noch gut einen Meter. Kein Wunder, dass die Zander über den Sommer hinweg verhältnismäßig tief stehen.
Man muss sie nur finden: Auch Barsche sind hier vertreten und stehen meistens auf den Kanten zu tieferem Wasser. (Bild: Sebastian Hänel)
Gleiches gilt zum Beispiel auch für die Barsche, die sich zumeist in acht Metern Tiefe über den Kanten zu tieferem Wasser aufhalten. Der Bestand ist allerdings überschaubar und die Durchschnittsgröße der dunkel gefärbten Stachelritter liegt bei 30 Zentimetern. Exemplare über 40 Zentimeter habe ich zwar bereits zwei Mal gefangen, aber sie sind tatsächlich selten. Ein Versuch lohnt sich dennoch: Ende August erlebten mein Kollege Max Scheffler und ich eine unvergessene Barsch-Sternstunde mit über 50 Fischen. Ort des Schauspiels war die Verlänge-rung südlich der Insel Helgaholmen. Die Barsche standen am Abend auf der nur fünf Meter tiefen Landzunge und bescherten uns bei jedem Wurf einen Treffer. Wer das Glück hat, einen solchen Schwarm zu lokalisieren, wird mit einer vollen Räuchertonne vor dem Sommerhaus belohnt.
Der Bolmen hat auch große Hechte zu bieten. Allerdings sind weite Teile des Freiwassers so gut wie hechtleer. Am ehesten findet man sie östlich der Südspitze Bolmsös. Aber auch im Nordteil hatte ich bereits zweimal das Vergnügen, einen stattlichen Esox zu überlisten. Mein erster Bolmen-Meter ließ allerdings lange auf sich warten. Der starke Kämpfer im dunklen Kleid biss beim Freiwasserangeln. An den Kanten und im bewachsenen Uferbereich lassen sich allerdings recht gezielt Hechte fangen. Exemplare über 75 Zentimeter sind hier aber eher selten.
Früher allgegenwärtig, inzwischen nur noch selten: Die Hechte muss man sich erarbeiten. Man findet sie meistens in Ufernähe. (Bild: Sebastian Hänel)
Natur pur
Der Grund, warum es mich seit drei Jahren in Folge an dieses Gewässer zieht, ist seine malerische Natur. Die Inselgruppe der Tira-Inseln ist ein auf dem Wasser befindliches Naturreservat. Auf Storö, der größten Insel dieser Gruppe, befindet sich ein Anlege- steg mit kleinem Strand und einem öffentlichen Grillplatz. Perfekt, um Rast zu machen und seinen frischen Fang über dem Feuer zu grillen. Zum Nachtisch lassen sich auf der Insel Blau- und Preißelbeeren sammeln. Mit Glück findet man auch den einen oder anderen Steinpilz oder stößt auf eine Gruppe Pfifferlinge, die auch bei den Einheimischen beliebt sind. Naturliebhaberherz, was willst du mehr!
Die Grillplätze am See sind malerisch gelegen und laden ein, um Kraft zu tanken. Wo sonst könnte ein frisches Zanderfilet besser schmecken? (Bild: Sebastian Hänel)
Raubfischbestand: Zander, Barsch, Hecht
Futterfischbestand: Rotauge, Brassen, Laube, Kaulbarsch, Barsch
Wasserfläche: 17.300 ha Tiefe: bis zu 37 Meter
Untergrund: Sandig, teils steinig bis felsig.
Strukturen: Allgemein moderat abfallende Kanten, entlang der Inseln aber deutlich steiler, diese sind aber weniger produktiv. Flachwasserzonen findet man nahe der Seitenarme und Buchten sowie im Nordosten des Sees. Eine weit in den See ragende Landzunge befindet sich bei Helgaholm.
Angeln vom Ufer: Nur im Sommer beim Nachtangeln, zum Beispiel an den Fähranlegern in Bolmsö und Bolmsöleden oder der Brücke von Bolmstad. Hier findet man große Ansammlungen von Lauben.
Bestimmungen: Tages-, Wochen- und Jahreskarten erhalten Sie über IFiske.se. Das Angeln unterhalb von zehn Metern Wassertiefe ist nicht gestattet. Pro Angler und Tag können zehn Zander unter 75 Zentimetern entnommen werden. Die Entnahme kleiner Zander wird empfohlen. Zander über 75 Zentimeter sind schonend zurückzusetzen. Das Betreten der Inseln ist in der sensiblen Brutzeit von April bis Mai nicht gestattet. Sowohl das Schleppen als auch das Drift- und Nachtangeln sind erlaubt.
Unterkunft: Private Unterkünfte findet man am besten über Airbnb. Unterkünfte mit Leihboot im Süden des Sees bekommt man nahe Bolmen. Betreiber John ist unter der Telefonnummer +46 760 274 280 erreichbar.
Guiding: Von Mitte Juli bis Anfang September bietet Sebastian Hänel neben dem Zandercoaching auch exklusiv geführte Touren auf dem Bolmen an. Dabei wird sowohl pelagisch geangelt als auch das Wurf- und Vertikalangeln praktiziert. Anfragen und individuelle Absprachen bitte per Mail direkt an sebastian@zandercoaching.de
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