Praxis
Barsch kontrovers
Mit oder ohne Stahl fischen? Keschern oder per Hand landen? Blitzlandung oder Genussdrill? Diese und andere Streitfragen beantwortet Henning Stühring.
Bild: Henning Stühring
Sieht man sich die heutigen Angelwettbewerbe an, so fällt auf, dass nicht wenige Profis aufs Stahlvorfach komplett verzichten, wenn es gezielt auf Barsch geht. Und die meisten Challenges finden in den Niederlanden statt. Da stellen sich doch einige Fragen: Zumindest an sehr klaren Gewässern gilt es als unstrittig, dass von einem Stahlvorfach eine gewisse Scheuchwirkung auf Barsche ausgeht. Nun besagt aber ein anderer Grundsatz in Bezug auf die Waidgerechtigkeit: Wenn mit Hechtbissen zu rechnen ist, sollte ein Stahlvorfach montiert werden. Aber gibt es überhaupt Gewässer, an denen man Esox-Attacken ausschließen kann?
Zumindest gibt es Reviere, an denen zum Beispiel Zanderangler mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen können, dass tatsächlich auch der Zielfisch beißt. Auf trübe Kanäle und Flüsse wie die Tide-Elbe zum Beispiel trifft das zu. Aber Zander sind eben auch nicht so stahlscheu wie Barsche - wenn überhaupt. Da in diesen Revieren jedoch häufig verstärkt mit Hängern zu rechnen ist, wird in der Praxis lieber ein Fluorocarbon- statt Stahlvorfach montiert. Das ist eben leichter zu ersetzen nach einem Abriss.
Beim Barschangeln sieht die Sache aber etwas anders aus. Denn der gestreifte Augenräuber teilt sich seine eher klareren Reviere meist auch mit Hechten. Hier möchte ich meine Praxis-Erfahrungen von einem mittelgroßen See in Schweden einbringen, den ich jeweils drei Wochen lang in den Jahren 2018, 2019, 2022 und 2023 täglich befischt habe. Die ersten drei Male geschah das im Zeiraum Anfang Juni bis Monatsende. Nur im letzten Jahr war ich etwas später am Start, nämlich von Ende Juni bis Mitte Juli. Und der schwedische Kolsjön entpuppte sich als echter Großbarsch-Spot. In der Bucht vorm Ferienhaus konnte man in schöner Regelmäßigkeit kapitale Exemplare zwischen 40 und 48 Zentimetern fangen - und das vom Steg am Ufer aus! In den ersten zwei Jahren ging mir dagegen kein einziger Hecht an den Haken, 2022 dann ein mittelstarker Esox, der im Drill die Haken losschüttelte. Den Ausstieg habe ich auch etwas provoziert durch lockere Führung ...
Kurze, dünne Stahlspitze
Falls ja, bietet sich die Lösung vieler Profis an. Die setzen dann auf ein ganz kurzes, rund 20 Zentimeter langes und sehr dünnes Stahlvorfach mit rund sechs Kilo Tragkraft. Das kostet zwar, je nach Gewässer und Sichtigkeit, immer noch viele Barschbisse, bringt aber in Bezug auf die scharfen Hechtzähne ein Plus an Sicherheit. Aber, ehrlich gesagt, einen 30-Pfünder möchte ich auch damit eher nicht an den Haken bekommen. Es bleibt also eine Krux: Was soll man tun als Barschangler, wenn einem auch die Waidgerechtigkeit am Herzen liegt?
Bevor ich die Frage beantworte, möchte ich noch auf einen anderen Punkt in diesem Zusammenhang eingehen. Der renommierte Angler und Fischereibiologe Prof. Dr. Robert Arlinghaus hat untersucht, wie Hechte mit abgerissenen Ködern im Maul klarkommen. Das überraschende Ergebnis: Sehr gut, selbst bei tief sitzenden Drillingen im Rachen war die Überlebensquote mit 95 Prozent extrem hoch. Einzelhaken werden die allermeisten Hechte noch besser wieder los. Alles halb so schlimm also? So einfach ist es zwar denn doch wieder nicht. Aber aus der Studie lassen sich durchaus Rückschlüsse ziehen. Ich für meinen Teil werde jedenfalls beim gezielten Barschangeln in klaren Stillgewässern nur dann aufs dünne, kurze Stahlvofach verzichten, wenn ich weiß, dass ich am gewählten Spot zu dieser Zeit Hechtbisse kaum zu fürchten habe. Und dort kommen ausschließlich Köder mit Einzelhaken, vorzugsweise kleine Gummis, zum Einsatz. Wer übrigens generell die Scheuchwirkung von Stahl bestreitet, dem möchte ich ein Zitat vom Barsch-Spezi Johannes Dietel entgegenhalten: „An vielen Flüssen und auch an manchen Stillgewässern kann man ohne Probleme damit fangen. Aber ich kenne eben auch einige glasklare Seen, da bekommst du nicht einen Barschbiss, wenn du ein Stahlvorfach dran hast.“
Nicht nachmachen!
Zweifel angebracht, ob das nervöse Einnetzen von nicht ausgedrillten Fischen wirklich weniger Aussteiger bringt.
Auf alle Fälle leistet aber ein Kescher wertvolle Dienste beim Landen von Großbarschen. Ich hebe Barsche zwar gern per Daumengriff am Unterkiefer aus dem Wasser. Aber die längere Dauer, die das manchmal erfordert, hat tatsächlich schon starke Fische gekostet. Darüber muss man sich im Klaren sein und dann abwägen. Wenig halte ich dagegen davon, kleine und mittlere Barsche zu keschern. Das schadet den Fischen mehr als das einfache Herausheben. Selbst wenn das häufig kritisiert wird und in den sozialen Netzwerken zuverlässig für einen Shitstorm sorgt. Was auf den menschlichen Blick brutal oder sanft aussieht, nimmt der Barsch ganz anders wahr. Das Reiben der Keschermaschen ist nie gut für die empfindliche Schleimschicht. Und wenn dann noch ein Drilling zusammen mit dem Fisch im Netz hängt, dauert das Lösen viel zu lange. Gerade bei hohen Temperaturen kommt das einem Todesurteil gleich. Wenn schon keschern, dann bitte mit gummierten Modellen.
Kombiniertes Grill-Räuchern
Zunächst wird der Barsch ausgenommen. Dafür eignen sich Messer mit partiell geriffelter Klinge, die besser durch den harten Bereich zwischen den Brustflossen dringt, besonders gut. (Bild: Henning Stühring)
Autor: Henning Stühring