Biodiversität und Jagd
Artenschutz und Jagd – das ungleiche Paar
Kann ein Jäger, der Tiere tötet, Natur- und Artenschützer sein? Regelmäßig wird die Rolle der Jagd von Umweltorganisationen mit dieser Frage in Zweifel gezogen. Prof. Dr. Klaus Hackländer hat sie zur Verleihung des Biodiversitätspreises des Grünen Kreuzes in Wien beantwortet.
Bild: Burkhard Winsmann-Steins
Welche Rolle spielt dabei der Mensch? Natürlicherweise sind vor der Neuzeit im Schnitt 10 Arten pro Jahr ausgestorben. Ein ganz natürlicher Prozess der Evolution. Die Zehntausende, die aktuell von unserem Globus verschwinden, werden also ausgerottet. Als Ausrottung bezeichnen wir das Aussterben, das durch direkten oder indirekten Einfluss der Menschen geschieht.
Europa spiegelt bei der Arteninventur wider, was auf der ganzen Welt festgestellt werden kann. Und die Gründe für den Artenverlust sind in Europa ähnlich den globalen: Auch in Europa ist der Lebensraumverlust und die Verschlechterung von Lebensraumqualität von allergrößter Bedeutung. Die Übernutzung von Arten wurde als wichtiger Grund für die Bedrohung der Vielfalt beschrieben. Dieses Phänomen, die nicht nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, ist vor allen Dingen in unseren Meeren vorhanden. Dort gibt es Überfischung und unabsichtliche Beifänge bedrohter Tierarten.
Der Riesenalk lebte auf einer Insel bei Island, und der Großteil der Population starb 1830 durch einen Vulkanausbruch. Die übrigen wurden durch den Menschen tatsächlich übernutzt, sodass der letzte Riesenalk 1844 bzw. evtl. auch erst 1852 getötet wurde. Und der Kanaren-Austernfischer, der seit 1913 nicht mehr gesichtet wurde, war auf den Kanarischen Inseln ohnehin sehr selten. Seine Eier waren begehrt, aber sein Lebensraum wurde auch zerstört. Zudem setzten ihm die eingeführten Ratten und Hauskatzen zu. Ob die 4 Arten nun durch Übernutzung oder doch durch andere Ursachen in Europa ausstarben, ist ungewiss. Wahrscheinlich wurden sie aber ausgerottet, da der Mensch auch durch indirekte Effekte zum Aussterben beitragen kann.
Betrachtet man aber die vergangenen 100 Jahre, darf getrost festgestellt werden, dass durch die Jagd keine einzige Vogel- oder Säugetierart in Europa ausgerottet wurde. Dies liegt u. a. an der Tatsache, dass die Jagd seit etwas mehr als 100 Jahren in Europa auch gesetzlich geregelt ist. Insbesondere im deutschsprachigen Raum wurde die Verpflichtung zur Hege von Wildarten eingeführt, aber auch Schonzeiten erlassen, um die Reproduktion von Wildarten zu gewährleisten, nicht nur aus moralischen Gründen.
Es entwickelte sich mehr und mehr die Erkenntnis, dass Wild eine natürliche Ressource ist, die man bewirtschaften muss, um sie nachhaltig nutzen zu können. Daraus entwickelte sich der Begriff Jagdwirtschaft. Jagdwirtschaft hat sich insbesondere in den 1990er-Jahren zu einem positiven Begriff entwickelt, bei dem nicht alleine die Maximierung von Wildbret oder die Minimierung von Wildschäden im Vordergrund stehen, sondern die nachhaltige Jagd als solche. Diese wurde zunächst von der Weltnaturschutzorganisation IUCN und später auch von der Biodiversitätskonvention als wichtiges Instrument beim Erhalt von Artenvielfalt anerkannt. In der Europäischen Charta zu Biodiversität und Jagd des Europäischen Rates sind die Prinzipien dazu festgeschrieben. Jagd, sofern sie nachhaltig ist, ist also in Zeiten der Biodiversitätskrise nicht mehr das Problem, sondern Teil der Lösung.
Umso ärgerlicher sind die sog. schwarzen Schafe in der Jagd. Noch immer werden Greifvögel mit Gift qualvoll getötet. Luchs, Wolf und Bär verschwinden in Stauseen, werden an Ortstafeln gehängt oder verstauben in Jagdhütten. Die Täter bleiben meistens unerkannt, und daher ist die Aufklärungsquote auch erschreckend gering. In einer Masterarbeit an unserem Institut (an der Boku in Wien) wurde festgestellt, dass von 128 Fällen von Wildtierkriminalität in den vergangenen Jahren nur einer vor Gericht landete.
Es ist also wichtig, dass die Jägerschaft geschlossen derartige illegale Handlungen verurteilt, sich von den Täterinnen und Tätern distanziert und diese nach Möglichkeit auch aus den eigenen Reihen ausschließt. Das ist für das Image der Jagd essenziell, insbesondere in Zeiten einer Informationskampagne von Jagd Österreich (s. WuH 20/2023, Seite 72), die der Bevölkerung und auch der Dudenredaktion (in Berlin) die positiven Seiten der Jagd vermitteln soll.
Schließlich ist Jagd mehr als nur das Nachstellen, Fangen und Erlegen von Wild. Jagd ist wohl die intensivste Naturerfahrung und geht weit über das Schießen hinaus. Und wie gesagt: Durch die Anerkennung der IUCN und der Biodiversitätskonvention hat die Jagd die Chance, als positive Kraft im Kampf gegen Artensterben und Biodiversitätsverlust anerkannt zu werden – vorausgesetzt in den Medien ist nicht nur von illegalen Abschüssen oder durch Schrotschüsse verletzte Jäger zu lesen, sondern auch von den positiven Seiten der Jagd.
Von den positiven Seiten gibt es viele, und es ist wichtig, diesen auch eine Bühne zu liefern. Jägerinnen und Jäger kümmern sich um Wildlebensräume, deren Verlust oder deren Verschlechterung laut der am Anfang erwähnten Studie den größten Einfluss auf die Artenvielfalt hat. Und gerade Österreich hat viel zu verlieren. Die Alpenrepublik hat im europäischen Vergleich eine sehr hohe Artenvielfalt. Das liegt nicht nur an der Diversität der Lebensräume – von der pannonischen Tiefebene bis in die Zentralalpen – sondern auch an der vergleichsweise kleinräumigen Struktur und der vielerorts extensiven Landnutzung. Doch auch diese Vielfalt ist bedroht.
Schauen wir gemeinsam, dass wir in Österreich und Europa den Artenverlust stoppen. Unsere Ökosysteme brauchen Artenvielfalt, um mit den Veränderungen auf unserer Welt umgehen zu können. Wir brauchen Artenvielfalt, weil wir stabile Ökosysteme für die Nutzung natürlicher Ressourcen brauchen. Und wir ergötzen uns an Artenvielfalt, wenn wir draußen mit offenen Sinnen die Natur erleben.
Autor: Prof. Dr. Klaus Hackländer