Neufassung des Landesjagdgesetzes RLP

„Jägerland in Försterhand!“

Der Entwurf zur Neufassung des Landesjagdgesetzes Rheinland-Pfalz sorgt gehörig für Wellen. Geht das Papier durch, wird der Jäger zum Handlanger grüner „Waldpolitik“. Aber so weit ist es noch nicht: Der LJV hält wacker dagegen. Ebenso der DJZ-Jurist ...

„Jägerland in      Försterhand!“

Bild: Michael Migos

"Heiko – kannst Du Dir ein paar Gedanken zur geplanten Neufassung des Landesjagdgesetzes Rheinland-Pfalz machen? Das Ding ist völlig irre!“ bat mich unlängst der liebste aller Chefredakteure. „Klar, kann ich“, dachte ich mir. Getragen wurde ich von der Annahme, durch das seinerzeitige Befassen mit der Brandenburger Novelle gegen jede Art von grün-ideologisiertem Unrat immunisiert zu sein. Doch angesichts der Dosis der Giftlast des vorliegenden Entwurfes schoss selbst mir der Angstschweiß auf die Stirn.
Schon die explizit eine Regelungsverdichtung und den Wald-Wild-Konflikt anreißende Präambel ließ erahnen, dass ich die kommenden Stunden mit einem grün-dirigistischen Weltverbesserungsmachtwerk verbringen würde. Sie lautet: Da ein Regelungsverzicht die Jagd als wirkungsvolles Instrument zur Vermeidung von Wildschäden schwächen und die Akzeptanz der Jagd in der Gesellschaft gefährden würde, wird eine umfassende Novelle des Landesjagdgesetzes als erforderlich angesehen. Verteilt auf 55 Paragraphen schuf der Landesgesetzgeber einen Entwurf, der sich wie folgt zusammenfassen lässt: Erst kommt der Wald, dann kommt der Wald, dann kommt lange nichts, dann kommt der
Förster und dann kommt wieder lange nichts – auch nicht das Wild und erst recht nicht der Jäger …

29807
Das Dam-Schmaltier sollte besser weiterhin „Pizza Hawai“ äsen, frotzelt der DJZ-Jurist (Bild: Jens Krüger)

Sündenbock Jäger

Dass es mit dem Zustand des Waldes nicht überall zum Besten steht – geschenkt! Dass der nicht wegzudiskutierende Klimawandel waldbauliche Herausforderungen bringt, denen auch mit jagdlichen Mitteln begegnet werden muss – auch geschenkt! Aber: Waren es die Jäger, die nach dem 2. Weltkrieg vor allem Fichten in Monokultur gepflanzt haben und so dem Borkenkäfer die Gelegenheit gegeben haben, sich zum wahren „König der Wälder“ aufzuschwingen? Nein! Die – so dürfte man zumindest meinen – mit dem Vorzug fach- licher Kompetenz und Zugang zu modernsten Forschungsmaßnamen ausgestattete staatliche Forstpartie hat es jahrzehntelang verschlafen, den Waldumbau zukunftsgerecht voranzutreiben. Jetzt, wo der Wald stirbt und der von der öffentlichen Meinung unter Zugzwang gesetzte Dienstherr Feuer unterm Beamten-Allerwertesten macht, wird ein Sündenbock gesucht und vermeintlich gefunden: Das böse Wild ist es, welches in den vergangenen Jahren urplötzlich und unerwartet angefangen haben muss, seinen Ernährungsplan von Pizza Hawai auf Triebe junger Bäumchen umzustellen.

Dem Wild kann man allerdings den Schwarzen Peter eigenen Handlungsversagens kaum zuschieben. Also wird dem Dienstherren flugs ein passender Sündenbock präsentiert. Die unfähige private Jägerschaft ist es, die den aufopferungsvollen Bemühungen der Landesforstanstalt im Wege steht. Der Grünen Umweltministerin Katrin Eder wird man sicher vieles nachsagen können. Besonderen waldbaulichen, wildbiologischen oder gar jagdlichen Sachverstand aber sicherlich nicht. Den bisherigen „Zenit ihres Schaffens“ erreichte sie als Umweltdezernentin in Mainz. Dort durfte sie „bahnbrechende Erfolge“ wie die Eröffnung des ersten Fahrradparkhauses feiern, bevor sie als Staatsekretärin in das seinerzeit noch von Frau Spiegel („Ahrtal-Anne“) geführte Ministerium wechselte. Nach deren unrühmlichem Abgang „stolperte“ Eder wohl eher unfreiwillig in die Fußstapfen der Hochwasserversagerin. Kaum verwunderlich also, dass der vorliegende Entwurf – abgesehen von der Diktion im gegenderten „Grünen-Neusprech“ – nicht die Handschrift eines kundigen und staatstragenden um die Interessen aller Beteiligten bemühten Fachministeriums trägt. Mangels ministerialer Sachkunde durfte stattdessen der Chef der Landesforstanstalt seinen Entwurf auf die Menschheit loslassen, der so wirkt, als hätte ein verwöhntes Gör seinen Wunschzettel dem Weihnachmann zugesteckt.

29804
Der Autor mahnt, dass sich künftig Jäger in Kleinstrevieren „auf den Füßen stehen“ (Bild: Sebastian Grell)

Gedränge im Revier

Gäbe es diesen, so hätte der seinem Gehilfen Knecht Ruprecht sicher auf- getragen, den Verantwortlichen den Allerwersten zu versohlen. Denn: Waldbesitzende und Landwirtinnen und Landwirte erhalten weitere Gestaltungsfreiräume für die Jagdnutzung an und in ihren Jagdbezirken. So wird Grundbesitzenden unter bestimmten Bedingungen der Anspruch auf eine Erlaubnis zum Mitjagen ermöglicht, auch wenn die Jagd verpachtet ist, teilte die Presseabteilung des Ministeriums stolz mit. Ist es klug, Menschen mit Gesetzesentwürfen zu befassen, die nicht einmal den Unterschied von Wald- und Grundbesitz (also tatsächlicher Sachherrschaft, z. B. Landpacht) von Grundeigentum kennen? Nun ja – muss ja jeder selbst wissen, ob er die Grünen wählt … Gemeint ist mit der laienhaften Formulierung wohl die Regelung unter § 18 Abs. 1, S. 1 des Entwurfes, die wie folgt lautet: Im Falle verpachteter Jagdbezirke können die Eigentümerinnen und Eigentümer von Grundflächen von den Pachtenden die Erteilung von unentgeltlichen Jagderlaubnissen für sich oder einen von ihnen benannten Dritten für die Gesamtheit oder einen Teil ihrer dem Jagdbezirk zugehörigen Grundstücke verlangen (Jagderlaubnisflächen). Ja - Sie haben richtig gelesen. ALLE Eigentümer (hier wie immer ohne „innen“) oder deren (zahlende) benannte Dritte teilen sich – sofern gewünscht – mit dem Pächter zukünftig die Bejagung.

Fein also für diejenigen, die von Oma in den Rheinland-Pfälzischen Erbteilungsgebieten ein paar Dutzend handtuchgroße über das gesamte Revier verteilte Flurstückchen geerbt haben. Wenn´s rund läuft, ziehen an einem lauen Sommerabend Dutzende aufgezwungener Jagderlaubnisscheininhaber kreuz und quer durch das Revier, um zu gucken, ob sich nicht gerade irgendwo etwas Jagdbares auf den eigenen Flächen findet. Wer nur auf ein paar Hektar weidwerken kann, auf die sich nur unregelmäßig Wild verirrt, wird sich mit Altersklassenaufbau und Hegezielen dann kaum abgeben wollen. Gemäß: „Tritt das Rehlein aus dem Wald, wird es einfach abgeknallt!“

29805
Das Revier als „forstliche Melkkuh“. Kern des Gesetzesentwurfs: Erst kommt der Wald, dann kommt der Wald, dann kommt lange nichts ... (Bild: BA Schilling)


Blöd auch, wenn die Flurstücksgrenzen auf zusammenliegenden Bewirtschaftungseinheiten nicht erkennbar sind. Da ist dann Augenmaß gefragt: So weit, dass die aufgezwungenen Jagderlaubnisscheininhaber die vom Pächter errichteten jagdlichen Einrichtungen mitnutzen dürfen, will der Gesetzgeber offenbar doch nicht gehen. So stärkt die Neuregelung das Dorfgemeinschaftsgefühl, und man trifft regelmäßig seine Nachbarn. Und zwar im Wortsinne. Denn Kugelfang ist sowieso ein überschätztes Phänomen, und geschossen wird nur ebenerdig. Allerdings dürften die Jagderlaubnisscheininhaber wohl auch eigene Ansitzeinrichtungen aufstellen. Wie wollte man es ihnen auch verbieten – ist das Land doch deren Eigentum. An manch’ einer Rheinland-Pfälzischen Flurkante würden sich also bald Eigentümer- und Pächterhochsitz zärtlich aneinanderschmiegen.

Zerklüftete Reviere

Als wäre diese (wie im Suff ersonnene) Regelung nicht abstrus genug, setzt der Entwurf noch einen obendrauf. Nach § 10 Abs. 2, Ziffer 2 kann die Behörde auf Antrag eine zusammenhängende land-, forst- und fischereiwirtschaftlich genutzte Grundfläche von mindestens 100 Hektar, die im Eigentum mehrerer natürlicher oder juristischer Personen steht, zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk zusammenlegen, wenn und solange sich die Eigentümerinnen und Eigentümer vertraglich zur gemeinsamen Bewirtschaftung zusammengeschlossen haben. Diese revierübergreifende Regelung hätte sich auch prägnanter zusammenfassen lassen: „Das an den Gemeindegrenzen orientierte Reviersystem wird abgeschafft. Jägerland in Försterhand!“ Dass mehrere Landwirte sich zur eigenen Bejagung ihrer schadensträchtigen Ackerflächen zusammenschließen, wird kaum zu erwarten sein. Im Wald sieht das anders aus: Wer sollte dem Grundeigentümer, auf dessen Boden sich der Hauptbrunftplatz oder mehrere Waldwiesen befinden, verdenken, sich mit seinen Nachbarn zu einer eigenen Jagdgenossenschaft zusammenzuschließen?

Der Pachtpreis eines Revieres errechnet sich aus der Quersumme des Jagdwertes aller enthaltener Flächen. In die Pachtpreisverhandlungen fließen jagdlich uninteressante Flächen in Ortsrandlage und der wildschadensträchtige Kartoffelacker ebenso ein, wie etwa das Waldstück mit Saueneinständen. Anstatt nur anteilig die fürs gesamte Revier vereinbarte magerere Pacht zu erhalten, drängt es sich geradezu auf, den einen oder anderen Nachbarn mit ins Boot zu holen und die eigenen exklusiven „Sahnestücke“ an den Meistbietenden zu verpachten. Praktisch, wenn man sich dafür seine eigenen Gesetze schreiben kann. Die ideengebende Landesforstanstalt wird die erste sein, die einen Tag nach Inkrafttreten des Gesetzes von Tür zu Tür läuft, um Mitstreiter für die Heraus- lösung ihrer bislang gezwungenermaßen im Rahmen der Jagdgenossenschaft mitverpachteten Flächen zu finden. Übrig bleiben dann von diversen privatrecht- lichen Jagdbezirken zerschnittene und zerklüftete Restreviere.

29806
Die Grüne Katrin Eder, Umweltministerin von RLP, zeichnet für den Entwurf verantwortlich (Bild: UM RLP)


Doch welcher Jäger pachtet schon ein Revier, in dem er solange weitgehend tatenlos dem Rotwild beim Zu-Schaden-Gehen in der Feldmark zugucken darf, bis es pünktlich zur Brunft in dem von der zahlungskräftigen Jagdgesellschaft angepachteten neugeschaffenen Mini-Brunftrevier verschwindet? Die verbleibenden Jagdgenossen des „abgenagten Gerippes“ werden kaum einen Pächter finden, der bereit ist, die Pacht unter Fortführung des Wildschadensersatzes weiterzuführen. Die Land- und Forstwirte, die nicht gebeten wurden, einem der exklusiven „Abschuss-Clubs“ beizutreten, werden auf dem Wildschaden sitzenbleiben. Und: Findet sich kein pachtbereiter Jäger, oder wird die Pacht ohne die zur intensiven Bejagung motivierende Verpflichtung zum Wildschadensersatz vergeben, bleiben die „Restreviere“ praktisch schutzlos – bei Wildschäden.

Jagd-„Blockwart“?

Na – sind sie schon bedient? Tut mir leid – zum Dessert gibt es noch was besonders Delikates: Nach § 23 des Entwurfes kann angeordnet werden, dass Jagdbezirksverantwortliche unabhängig von den Schonzeiten innerhalb einer bestimmten Frist in bestimmtem Umfang den Wildbestand zu verringern haben, wobei die Anordnung zwingend ist, sofern zwei aufeinanderfolgende sogenannte fachbehördliche Stellungnahmen (heißt: geäußerte Wünsche der Forstverwaltung) eine Gefährdung der standortgerechten Waldverjüngung im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen festgestellt haben. Bedeutet: Reichen die Finanzen und/oder der Arbeitseifer des (Landes-) Försters nicht aus, um z. B. Neuanpflanzungen von „exotischen Experimentierbäumen“ zu gattern, wird eben einfach der Jagdpächter zwangsverpflichtet, den Wildbestand schlicht zusammenzuschießen.

Damit das freche Jägerpack gefälligst auch erkennt, wer hier den Kuchen und wer die Krümel isst, wird gleich eine Sanktionsregelung geschaffen, die es an Deutlichkeit nicht mangeln lässt. Anordnungen … sind mit einer Vollzugsfrist von nicht mehr als zwölf Monaten zu versehen, deren Durchsetzung mittels Verwaltungszwang anzudrohen ist. Von Zwangsmitteln ist Gebrauch zu machen. Rechtsmittel, die sich gegen die Anordnung richten, haben keine aufschiebende Wirkung. Zusammengefasst: „Knallst Du keine Rehe ab, dann knallt´s bei Dir, Du Wicht!“ Passend dazu wird dem Verpächter ein Sonderkündigungsrecht beim Verpassen waldbaulicher Ziele eingeräumt. Wer nicht artig Wild umpustet, der fliegt halt raus und darf zur Krönung des Ganzen Schadenersatz leisten, wenn anschließend kein Pächter gefunden wird, der sich bei gleich hohem Pachtzins zum Büttel der Forstpartie machen lassen will.

Herrlich, oder? Doch das sind nur Beispiele. Ich könnte die ganze Ausgabe des Heftes nutzen und wäre mit Pöbeln immer noch nicht am Ende. Das Gesetz wirkt, als wäre irgendein Forstmann eines schönen Abends aus der Kneipe getorkelt und dann hocherfreut über den Abfallkübel des gescheiterten Entwurfe zur Neufassung des Brandenburger Jagdgesetzes gestolpert: „Das ist doch noch gut! Das kann man doch noch gebrauchen...“

Autor: Dr. Heiko Granzin