Kirgistan
„Die spinnen, die Kirgisen!”
Mit diesem Spruch einen Jagdreisebericht zu betiteln, ist ungewöhnlich. Ich werde dem Leser jedoch zeigen, dass er zutreffen kann.
Bild: René Hey
Landpartie
In Bischkek werden wir herzlich von Taril, unserem Dolmetscher, empfangen. Eine neunstündige Tour zum Basis-Camp liegt vor uns. Am Anfang der etwa 500 Kilometer langen Fahrt rollt der VW-Kleinbus über beste Autobahnpisten. Nach 100 Kilometern beginnen Landstraßen. Je weiter wir uns von der Hauptstadt entfernen, desto mehr verschwindet auch die gewohnte Zivilisation. Ein Auto-Tausch erweist sich als notwendig. Ab jetzt sitzen wir in einem Toyota Land Cruiser. Entfernt tauchen die schneebedeckten 4.000er auf. Linksseitig begrüßt uns eine überlebensgroße Steinbockstatue. Ein Zeichen? Eine Aussage? Ein Status? Egal, auf jeden Fall ein Motivationsschub für uns.
Für die letzten 50 Kilometer benötigen wir fast zwei Stunden: kaputte Brücken, Loch-an-Loch-Wege, mal versandete, mal vereiste Pisten, Zollkontrollen und vieles mehr. Für uns eine Fahrt, die wir trotzdem genießen. Auch wenn das mitgenommene Bier bereits alle ist. Die Natur ist geprägt von beeindruckenden Hochgebirgsszenarien. Wir können uns nicht satt genug sehen an den mächtigen Bergen. Noch bei Tageslicht erreichen wir in einer Höhenlage von 3.500 Meter unser Basis- lager. Es liegt in einem wasserführenden Tal inmitten des Tian-Shan-Gebirges. Wir befinden uns dicht an der Grenze zu China.
Pferde sind unerlässlich. Sie bringen den Bergjäger in die Nähe der Einstände. Dann beginnt die Pirsch (Bild: René Hey)
Auf dem Rücken der Pferde ...
Alles ist gut verpackt. Karsten und Tobias, angeführt von drei Kirgisen, reiten nach Süden, Sebastian und ich nach Norden. Das Jagdgebiet hat übrigens eine Größe von 80.000 Hektar. Wir werden geführt von einem PH und dessen beiden Helfern. In aller Ruhe, aber stetig, bewegt sich die Karawane bergan. Die ersten Kilometer sind für Pferd und Reiter problemlos zu bewältigen.
In der Ferne mache ich Wild aus und weise Sergej, so der Name des jungen Kirgisiers, der vor mir reitet, darauf hin. Natürlich haben die Einheimischen das Rudel Steinwild schon viel länger als ich registriert. Entsprechend sind seine Mimik und Gestik. So, als wolle er mir sagen: „Konzentriere Du Dich auf das Reiten. Damit hast Du genug zu tun. Überlasse uns das Erspähen von Wild.”
Wenige Meter unterhalb eines Bergrückens stoppen wir. Nach einem zweistündigen Ritt ist der Körper froh, in die Bewegungsart zu wechseln, die er gewohnt ist. Wir pirschen höher, sodass wir immer wieder das nächste, vor uns liegende Tal einsehen können. Konzentriert glasen wir die gegenüberliegenden Steilhänge ab, Wild ist jedoch nicht zu entdecken. Also rauf auf die Pferde und weiter. Auf halbem Hang befindet sich ein ausgetretener Pfad. Wahrscheinlich sind unsere Begleiter erst vor wenigen Tagen hier lang, um Wild zu lokalisieren. Die Pferde traben sehr ruhig diesen nur 20 Zentimeter breiten Steg entlang.
Trotzdem schießt mir nun das erste Mal durch den Kopf, dass die Kirgisen spinnen, weil sie ausgerechnet diesen Weg wählen. Es gäbe doch bestimmt weniger angsteinflößende Pfade, um an das gewollte Wild zu gelangen.
Unten: Wetterumschwung. Es wird ungemütlich (Bild: René Hey)
Schneesturm
Der gesamte nächste Tag ist jagdfrei: Dicker Nebel und Starkregen wechseln sich mit Schneetreiben ab. Wir sind froh, im etwas wetterfesteren Basis-Camp und nicht in einem Flycamp weit oben in den Bergen zu sein. Mithilfe des Dolmetschers führen wir interessante Gespräche mit den Einheimischen über deren Kultur und das Jagen in den abgelegenen Revieren.
Das Berghochkriechen zeigt mir die Grenzen meiner körperlichen Kondition. Jetzt heißt es kämpfen. Beim Biathlon sagt der Kommentator auch immer: Er ist blau gelaufen und hat keine Körner mehr. Wahrscheinlich hat mich nun dieses Blaulaufen erwischt. Ursächlich auch der minimale Sauerstoffgehalt in der Höhenluft. Wir sind 4.200 Meter über NN.
(Bild: René Hey)
Mit letzter Kraft
Ich mobilisiere die letzten Körner und erreiche meinen Berufsjäger. Er war wesentlich eher am ersehnten Punkt. Unter uns befindet sich das Rudel, welches wir vor fünf Stunden entdeckten. Der älteste Steinbock ist ausgemacht. Noch ruhen die neun Stücke und genießen die Nachmittagssonne.
Mein Entfernungsmesser zeigt eine Distanz bis zum Ersehnten von 384 Metern. Ein weiteres, unbemerktes Verkürzen der Meterzahl ist unmöglich. Deshalb richte ich mir eine Unterlage für den Schuss her. Mein Puls hat nach der Strapaze des Aufstieges wieder Normalwert erreicht. Nach und nach erheben sich die Böcke. Auch „Meiner“ steht jetzt breit. Am Zielglas habe ich die entsprechende Einstellung vorgenommen. Ich selbst bin ruhig und konzentriere mich auf den Schuss. Es braucht eine gefühlte Ewigkeit, bis der Kugelknall den Bergen entwichen ist. Nach einer kurzer Flucht verendet der alte Asiatische Steinbock. Die Freude ist riesig. Wir fallen uns in die Arme. Und auch die Kirgisen, die natürlich nicht mehr spinnen und alles richtig gemacht haben, wünschen in gebrochenem Deutsch „Weidmannsheil“.
Der Ritt zurück ins Basis-Camp ist problemlos. Es schmerzt nichts, die aufgesessenen Blasen gedulden sich bis zur heimatlichen Behandlung. Und „Gaul” ist ebenso gut drauf wie sein Reiter. Im Basislager warten schon unsere beiden Jagdfreunde. Sie weidwerkten heute ebenfalls erfolgreich. Eine lange, feucht-fröhliche Nacht schließt sich an.
Der Weidmann genießt diese imposante Kulisse sowie den Blick in weite Fernen (Bild: René Hey)
Die zweite Lizenz
Ein letzter Jagdtag steht uns noch zur Verfügung. Ich habe noch eine weitere Lizenz auf einen Steinbock. Ich biete diese Möglichkeit in der Runde an. Komisch, keiner hat mehr Bock auf Bock. Wir sind sitzfleischtechnisch defekt ...
Info Steinbockjagd in Kirgistan
Einreise: Dafür benötigen Sie einen Reisepass, welcher drei Monate über das Rückreisedatum hinaus gültig sein muss. Es besteht keine Visumpflicht für Staatsbürger aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Jagdwaffe: Eine Waffendeklaration wird vor der Jagd beantragt. Die Ein- sowie Ausfuhr der Jagdwaffe ist damit problemlos möglich. Sie sollten bei Hochgebirgsjagden als Mindestkaliber z. B. .300 Win. Mag. führen. Prima sind die Kaliber .300 Ultra Mag., .300 Weatherby Mag, 8 x 68S und ähnliche.
Ausrüstung: Empfehlenswert ist auf jeden Fall Funktionskleidung (Thermo- unterwäsche, atmungsaktive Oberkleidung, gutes Schuhwerk/Bergstiefel). Weiterhin benötigt man einen guten Tagesrucksack mit breiten Riemen und Bauchgurt. Zudem einen soliden Bergstock.
Körperliche Fitness & Höhenkrankheit: Gejagt wird in einer Höhe von 3.000 bis 4.500 Metern. In den Revieren nutzt man zunächst meist Pferde (deshalb sind vorherige Reitstunden empfehlenswert!) und pirscht zu Fuß in die Einstände. Insgesamt handelt es sich um eine anspruchsvolle Bergjagd. Kondition und Vorbereitung sind von Vorteil. Die sogenannte Höhenkrankheit kommt bei einem längeren Aufenthalt über 3.000 Metern vor. Die Haupt-Camps liegen gewöhnlich nicht über 3.000 Meter, sodass die Krankheit normalerweise nicht auftritt. Am besten ist es, das Thema individuell zu prüfen und ggf. über eine medikamentöse Prophylaxe nachzudenken.
Jagdsaison und Jagdgebiete: Jagdzeit in Kirgistan ist aktuell vom 15. August bis zum 1. Dezember. Das Hauptjagdgebiet für Sibirischen Steinbock und Marco- Polo-Argali befindet sich in der Issyk-KulRegion, südlich des Naryn-Flusses.
Kosten: Die Jagd auf den Sibirischen Steinbock wird mit zehn Reise- sowie fünf/sechs Jagdtagen für etwa 6.100 Euro organisiert. Im Reisepreis enthalten ist die Erlegungsgebühr eines Steinbockes ungeachtet der Trophäenstärke. Als Nebenkosten muss man das Formalitäten-Paket für 590 Euro einplanen. Anreise/Flugkosten und Trinkgelder kommen als persönliche Ausgaben hinzu.
Veranstalter: Adler Tours Ltd. & Co. KG, Tel.: 0049 3935 959951; E-Mail: info@ adlertours.de; Homepage: www.adlertours.de
Autor: André Schneider (& René Hey)